Im Gespräch mit der Financial Times zieht Sebastian Kurz eine Bilanz seiner Regierungszeit. Auf die Frage, ob er die Koalition mit der FPÖ bereut, antwortet er ohne Zögern. „Überhaupt nicht. Ich bereue die Koalition mit den Grünen.“ Die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen sei „richtig“ und „sehr erfolgreich“ gewesen. Kurz nennt das Arbeitsrecht, die Budgetdisziplin und Migrationskontrollen. Die Maßnahmen hätten funktioniert – und seien von vielen Wählern zu Beginn unterstützt worden.

Gegen die Brandmauer

Kurz wendet sich gegen die Idee, rechte Parteien grundsätzlich aus Regierungen auszuschließen. Demokratie verlaufe „in Wellen“, politische Wechsel gehörten dazu. Rechte Positionen hätten „das gleiche Existenzrecht“ wie linke – der cordon sanitaire habe sich nicht bewährt.

Demografie und Schulen als Problemfeld

Anhand persönlicher Beispiele verweist der Ex-Kanzler auf die demografischen Verschiebungen: In Wiener Schulen sei die größte religiöse Gruppe mittlerweile muslimisch. Wenn ein Kind „als einziges mit Deutsch als Muttersprache“ in der Klasse sitze, sei das „ein Problem“. Für Kurz sind Bildung und Integration damit ein zentraler Prüfstein der Innenpolitik.

Europas Schwäche – Regulierung statt Innovation?

Über Österreich hinaus kritisiert Kurz Europas wirtschaftliche und technologische Selbstfesselung: Er „sehe“ die Innovationsdynamik in Europa nicht, Brüssels KI-Regulierung bremse und „mehr Staatsausgaben“ führten „nicht zu mehr Innovation – nur zu Inflation“.

Zugleich hält er mehr Fokus auf Verteidigung für sinnvoll, warnt aber vor einem fortschreitenden Verlust an Wettbewerbsstärke. Er verweist überdies auf den Draghi-Bericht zur EU-Wettbewerbsfähigkeit („nicht schlecht für einen Sozialisten“): weniger Bürokratie, tiefere Kapitalmärkte, mehr Investitionen in Innovation, Digitalisierung und Verteidigung.

„Großer Fehler“: Europas Umgang mit Trump

Scharfe Worte findet Kurz für europäische Spitzenpolitiker, die sich nach der US-Wahl 2020 offen gegen Donald Trump positioniert hatten: „Das macht man nicht.“ Die Republikaner hätten das „bemerkt – und es missfiel ihnen“. Aus seiner Sicht belastet das die transatlantische Achse unnötig.

„Politisches Tier“ – aber Unternehmer

Ein politisches Comeback verneint Kurz: Er konzentriere sich auf sein Tech-Unternehmen (Cybersecurity/KI). Gleichwohl bleibe er „ein politisches Tier“ – jemand „mit einer politischen Meinung“.