Es ist der Tag nach den schrecklichen Ereignissen in Graz. Eigentlich hätten Wiener Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling und Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler zur Pressekonferenz von Qwien kommen sollen, im neuen Standort in Margareten, doch aufgrund der Trauerbekundung sagten sie spontan ab. Das Leitungsteam von Qwien lässt sich davon jedoch nicht entmutigen und hält die Pressekonferenz trotzdem ab – mit kaum Teilnehmern.

Hannes Sulzenbacher, Harriet Leischko und Andreas Brunner sind das Leitungsteam des Qwien. Insgesamt haben sie acht Angestellte im Verein.Smartphone/Tamara Todorovic

Geschichte des Qwien

Seit 2007 ist Qwien als Archiv und Forschungsstelle für die queere Geschichte Wiens aktiv, publiziert zur Verfolgung Homosexueller in der NS-Zeit und entwickelt Stadtspaziergänge, die „queere Geschichte sichtbar machen sollen“.

Der Raum hat ihnen jedoch nicht genügt, sodass sie am 11. Juni 2025 eine neue, größere Zentrale eröffneten, mit der sie sich zum „ersten queeren Kulturzentrum Österreichs“ machen wollen.

Der Eingangsraum des Gebäudes.QWien/Gregor Hofbauer

Qwien gibt bereits bei der Einführungsrede an, dass die Stadt Wien diese Investition macht, um die „politisch rechten Entwicklungen in den USA, Polen, Slowakei und Ungarn zu kontern, die LGBTIQ+ Personen wieder in die Unsichtbarkeit drängen wollen“. Witzigerweise befinden sich auch in der Nähe von ihrem neuen Zentrum Rechte. Wie mehrere Medien berichten, befindet sich in der Nachbarschaft eine Treffstätte der Identitären Bewegung und Demonstrationen von links und rechts seien in der Gegend keine Seltenheit. Man kann sagen, dass ihr neuer Standort sich inmitten kultureller Auseinandersetzungen befindet.

Ein großer Teil ihrer Vereinstätigkeit besteht aus Ausstellungen in Bezug zu "Queerness in der Geschichte Österreichs".QWien/Gregor Hofbauer

Für wen von wem bezahlt

Die Stadt Wien geht von 170.000 homosexuellen Einwohnern in Wien aus, einem ungefähren Prozentsatz von 10% der Bevölkerung. Trotzdem scheint sich das Interesse in Maßen zu halten. Die Veranstalter selbst können die Frage nach der erwarteten Besucherzahl nicht beantworten. Bisher wurde ihr früheres Archiv aber stark von Studenten für Forschungsarbeiten genutzt.

Alle möglichen Titel sind zu lesen, welche Aufmerksamkeit erregen sollen. Auch "Männerweiblichkeit" oder "The gay teen".Smartphone/Tamara Todorovic

Denn ihre Bibliothek ist beachtlich, es befinden sich 10.000 Bücher in ihr und 500 Magazine. Doch Sponsoren oder Förderer haben sie keine – alles wird allein von der Stadt Wien finanziert. Darunter auch alle anderen Gegenstände in den Räumlichkeiten.

Religiöse Wortspiele, geschlechtsneutrale Toiletten und schwule Pornos

In ihrer Sammlung von queerer Geschichte findet sich so einiges. So trifft man bei einer Tour durchs Haus nicht nur Imitate von verlorenen Artefakten, sondern allerlei Buchtitel, Kunstwerke und DVDs.

Auch verschiedene Flyer befinden sich in den Gängen.Smartphone/Tamara Todorovic

Aber auch eine Bibel, im selben Raum gelagert wie die Sammlung von Schwulenpornos, lediglich in verschiedenen Schränken.

Diese Bibel ist eines der einzigen, echten historischen Artefakte und gehörte Raoul Aslan, der offen homosexuell lebte. Deswegen wurde auch sie ein Teil der Sammlung im skurrilen Mix.

Die Bibel vom österreichischen Schauspieler Raoul Aslan, welche er mit einer Notiz seinem Liebhaber als Vermächtnis hinterlassen hat.Smartphone/Tamara Todorovic
Die "Pornografieecke", welche lediglich Bildmaterialien von homosexuellen Männern beinhaltet und sich im selben Raum befindet, wie der Schrank der eine Bibel und Sexualpädagogikbücher beinhaltet.Handyphoto/Tamara Todorovic

Doch die Bibel ist nicht der einzige christliche Gegenstand im Gebäude.

Auch im Kunstraum befindet sich ein Gemälde von Christi, mit der Aufschrift „Ecce Homo“. “Ecce Homo” ist eine lateinische Phrase, die “Seht, hier ist der Mensch” oder “Seht den Menschen” bedeutet. Im Johannesevangelium in Kapitel 19 Vers 5 stellt Pontius Pilatus Jesus Christus einer Menge mit diesen Worten vor.

In diesem Kontext jedoch soll damit ein Wortspiel zur Homosexualität gemacht werden.

Ein Gemälde von Jesus, dass hier in einen homosexuellen Kontext gestellt wird.Smartphone/Tamara Todorovic

Auch unter dem Gemälde befindet sich ein Banner mit der Aufschrift „Kein Sex vor der Homoehe“, was ebenso religiöse Werte mit homosexuellen Themen mischt. Passend im selben Raum befinden sich auch Toiletten – ohne eine Kennzeichnung von Mann oder Frau. Man muss selbst entscheiden, ob man lieber die Tür benutzt mit nur einem Toilettensymbol oder einem Toilettensymbol und Rollstuhlsymbol.

Ein Bild der geschlechtsneutralen ToilettenSmartphone/Tamara Todorovic

Finanzielle Fragen

Das Qwien hofft in der Zukunft Gewinn durch Tickets machen zu können, um die neue Erweiterung zu finanzieren und Sponsoren zu gewinnen. Doch bis dahin, wird unser Steuergeld herhalten müssen.