
Ukraine-Debakel: US-Waffen versagen reihenweise an der Front
Hightech? Versagt. Präzision? Fehlanzeige. Der Ukraine-Krieg entlarvt den Mythos amerikanischer Superwaffen. Himars & Co. scheitern reihenweise – GPS-Störungen, Pannen, Fehlfunktionen. Vieles verpufft im russischen Abwehrnetz. Die bittere Wahrheit: Auch westliche Technik trägt Mitschuld am Desaster.

Der angesehene US-Journalist Andrew Cockburn, Washington-Redakteur des Harper’s Magazine, zerlegt in einem aufsehenerregenden Bericht das Image der angeblich überlegenen US-Waffentechnologie. Der Ukraine-Krieg sei zum „Desaster für den US-Verteidigungsapparat“ geworden – nicht nur wegen der drohenden Niederlage der Ukraine, sondern weil die Kämpfe gnadenlos offenlegten, wie tief „die strukturellen Mängel des amerikanischen Militärsystems“ tatsächlich reichen.
Cockburns Enthüllung erschien zuerst auf Englisch in seinem Blog Spoils of War, danach in Responsible Statecraft. Der Autor zahlreicher Sachbücher, darunter The Spoils of War (2021) und Kill Chain (2016), zeigt auf, wie Selbstüberschätzung, Technikgläubigkeit und wirtschaftliche Interessen das Pentagon blind gemacht haben – mit fatalen Folgen an der Front.

Der große Stresstest – und das große Scheitern
Der Ukraine-Krieg sei ein „gnadenloser Stresstest“, schreibt Cockburn, der „die grundlegenden Mängel des US-Verteidigungssystems schonungslos aufgedeckt“ habe. Besonders bitter: Viele als „Game Changer“ angepriesene Systeme seien von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.
Dazu zählen laut Cockburn: Switchblade-Drohnen, M1-Abrams-Panzer, Patriot-Raketen, M777-Haubitzen, Excalibur-Artilleriegranaten, Himars-Raketen, GPS-gesteuerte Bomben, KI-Drohnen von Skydio.

All diese Waffen wurden laut Cockburn „mit großem Tamtam und hohen Erwartungen in den Kampf geschickt“, doch sie litten unter denselben systemischen Schwächen: technische Anfälligkeit, fehlende Einsatztests, geringe Stückzahlen – und eine militärische Führung, die Kritik unterdrücke, um Budgets und Karrieren nicht zu gefährden.
60.000-Dollar-Drohne gegen 700-Dollar-China-Modell
Die Switchblade-Drohne, eine US-Entwicklung zum Preis von 60.000 Dollar pro Stück, entpuppte sich als praktisch nutzlos. „Unbrauchbar gegen gepanzerte Ziele“, wie Cockburn schreibt. Die ukrainischen Truppen ersetzten sie kurzerhand durch 700 Dollar teure, online bestellte China-Drohnen – ein symbolisches Armutszeugnis für den US-Rüstungskomplex.

Abrams-Panzer stillgelegt – und ausgestellt in Moskau
Auch der hochgerüstete M1-Abrams-Panzer fiel kläglich durch: „beunruhigend anfällig für russische Drohnen“, oft defekt und schließlich aus dem Kampfeinsatz genommen. Mehrere wurden zerstört, mindestens ein Exemplar von den Russen erbeutet und demonstrativ in Moskau in einem Park ausgestellt – neben anderen Nato-Waffen.

M777: Wartungsfall mit Munitionsengpass
Die ursprünglich als Präzisionswunder gefeierte M777-Haubitze versagte ebenfalls: „zu anfällig für die rauen Bedingungen längerer Gefechte“, Rohre verschleißen schnell – Ersatz nur in Polen, weit hinter der Front.
Dazu kommt ein kritischer Engpass: Die nötige 155-mm-Munition ist notorisch knapp. Die USA sind von einer einzigen, veralteten Fabrik in Scranton, Pennsylvania abhängig, die die Nachfrage nicht decken kann. Cockburn nennt das einen industriepolitischen Irrweg, der seit der Clinton-Ära konsequent verschärft wurde. Schuld sei die verheerende „Konzentration der US-Rüstungsindustrie auf einige wenige Monopole“.

Patriot-Raketen: Zielscheiben für Russland?
Trotz der eindringlichen Forderungen von Präsident Selenskyj nach mehr Patriot-Raketen zweifelt Cockburn offen an ihrer Wirksamkeit: Sie seien von den Russen bei der Verteidigung Kiews „mit Leichtigkeit ins Visier genommen“ worden. Ihre Wirkung gegen ballistische Raketen lasse deutlich nach – und dennoch werde weiter geliefert.

Himars: Erst gefeiert, dann ausgehebelt
Zunächst galten die Himars-Raketen als effektiv gegen russische Munitionsdepots. Doch Moskau reagierte schnell: „Ziele wurden dezentralisiert, getarnt – und der Nutzen der Himars ging drastisch zurück.“
Die größte Schwachstelle aber ist technischer Natur: GPS-Navigation. Die hochmodernen US-Systeme verlassen sich auf ein System, das Russland systematisch stört – mit wachsendem Erfolg.

„Die meisten westlichen Systeme haben sich als wertlos erwiesen“
Die ukrainische Drohnenspezialistin Maria Berlinska formuliert es in aller Deutlichkeit und Härte: „Die meisten westlichen Systeme haben sich aufgrund der russischen Störungen als wertlos erwiesen.“ Und weiter: „Man kann auf einem Übungsplatz in Texas so viel fliegen und schießen, wie man will. Dann kommen bestimmte Systeme in den Krieg – und werden von der russischen elektronischen Kriegsführung einfach neutralisiert.“
Woah fancy stuff.
— SIMPLICIUS Ѱ (@simpatico771) April 24, 2024
Let's ask Ukraine’s head of the aerial reconnaissance support center, Maria Berlinskaya, what she thinks: https://t.co/tRoOT2wcCs pic.twitter.com/PqiaPFNj3s
Pentagon-Funktionär gibt Totalversagen zu
Auch ein hochrangiger US-Beamter bestätigt das Desaster: William LaPlante, Unterstaatssekretär im Pentagon, berichtet auf einer CSIS-Konferenz über eine neue GPS-gesteuerte Bombe, eigens für Himars entwickelt – von Boeing, ohne Tests, unter Zeitdruck produziert.
„Sie hat einfach nicht funktioniert“, räumt LaPlante ein – sie wurde von russischen Störsendern vom Kurs abgebracht.
KI-Drohne von Skydio ebenfalls gestört
Auch die hochgelobte Skydio-Drohne aus dem Silicon Valley versagte kläglich. Trotz KI-Systemen, die laut Hersteller „sehen, verstehen und in Echtzeit reagieren“ können, wurde sie von russischen GPS-Störsendern einfach vom Kurs abgebracht.

Und das Pentagon? Ignoriert die Realität
Cockburn wirft dem US-Militär vor, all diese Fehlschläge bewusst zu ignorieren – aus eigennützigen Motiven: „Nur wenige sind erpicht, die Produkte von Unternehmen zu verunglimpfen, von denen ihnen nach ihrer Pensionierung lukrative Aufsichtsratsposten angeboten werden.“

Die Offensive 2023: Totaler Fehlschlag
Cockburn erinnert auch an die gefeierte ukrainische Gegenoffensive von 2023 – laut US-Strategen mit modernster Ausbildung, Gerät und westlicher Führung. Doch das Ergebnis: „Ein umgehender und totaler Misserfolg.“
Die Planer seien überrascht gewesen von Minenfeldern, Verteidigungsanlagen und der Wirksamkeit russischer Störsender. Seitdem befindet sich die Ukraine „auf dem Rückzug und hat ihre militärischen Reserven verloren.“
Korruption – und Schweigen der westlichen Medien
Hinzu kommt ein altbekanntes, aber oft ausgeblendetes Problem: Korruption – diesmal nicht in Washington, sondern in Kiew.
„Die berüchtigte Korruption des Landes – westlichen Regierungen wohlbekannt, von der westlichen Presse jedoch meist ignoriert – zeigt sich derzeit besonders deutlich in den bröckelnden Verteidigungsanlagen rund um Charkiw“, kritisiert Andrew Cockburn. Er verweist auf eine brisante Recherche der ukrainischen Antikorruptionsexpertin Martyna Boguslavets, erschienen in der Ukrainska Pravda. Demnach wurden riesige Summen, die für den Festungsbau rund um Charkiw vorgesehen waren, einfach gestohlen.
Hunderte Millionen Hrywnja flossen an Scheinfirmen mit Strohleuten – viele davon vorbestraft, überschuldet oder weiterhin in Schichtarbeit beschäftigt. Die Gebietsverwaltung Charkiw vergab die Aufträge ohne Ausschreibung, teils an Personen, die offenbar nicht einmal wussten, dass sie offiziell Geschäftsführer waren. Boguslavets spricht von einem „Netzwerk aus Tarnfirmen“, das mutmaßlich von Behördeninsidern gesteuert wird – und fordert konsequente Ermittlungen.
Brisant: Boguslavets’ Bericht basiert ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Dokumenten – für jeden einsehbar, der sich dafür interessiert. Doch, so Cockburn: „Offenbar gehören dazu nicht die zahlreichen US-Korrespondenten, die über den Krieg berichten.“
Das Ende einer Illusion
Eine der zentralen Lehren dieses Krieges ist die Entlarvung eines westlichen Grundmythos: der Glaube an technische Überlegenheit. Andrew Cockburn warnt: „Der Ukraine-Krieg ist ein Desaster für die US-Rüstungsmaschinerie – und das nicht nur, weil unsere Hilfe die Ukraine nicht vor dem Rückzug und einer möglichen Niederlage bewahren konnte. Viel gravierender ist, dass der Krieg die tiefen, grundlegenden Schwächen unseres Verteidigungssystems schonungslos offengelegt hat.“
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