
Viktor Orban: "EU hat keine Strategie, keine Führung. Was hier passiert, ist peinlich"
Ungarns Premier Viktor Orban ist inzwischen seit fast 15 Jahren an der Macht. Der dienstälteste Regierungschef Europas pries US-Präsident Donald Trump in einem Interview als “Zukunft”, die EU dagegen schmiere stetig ab.
Am Montag erschien in der “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) ein ausführliches Interview mit dem seit 2010 amtierenden ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Trotz der geringen Größe seines Landes (zehn Millionen Eirnwohner) gilt Orban gewissermaßen als Leitstern am Himmel der neuen Rechten in Europa.
FPÖ-Chef Herbert Kickl (der Orban mehrfach als sein Vorbild bezeichnete) geht beim ungarischen Premier ebenso ein und aus wie die italienische Premierministerin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) oder ihr Regierungskollege Matteo Salvini (Lega). Demnächst empfängt Orban die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, in Budapest.
Gleich zu Beginn des NZZ-Interviews zeigt sich Orban vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angetan. Er sagt: “Wir waren das schwarze Schaf des Westens. Nun zeigt sich: Was Trump tut und was wir in den letzten fünfzehn Jahren getan haben, ist die Zukunft. Wir sind glücklich, entspannt.” In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass Ex-US-Präsident Joe Biden und die Demokraten ihn und seine Regierung “gehasst” hätten.
Bei den Themen Migration, Gender und dem Ukraine-Krieg hätten er und die Demokraten stets gegensätzliche Ansichten vertreten. Zudem habe die Biden-Administration “Organisationen und Medien in Ungarn” unterstützt, “die gegen mich sind”. Das habe Trump nun kurzerhand beendet, so Orban.
Orban zum Krieg in der Ukraine: Wofür sind so viele Ukrainer eigentlich gestorben?
Orban kommt im NZZ-Interview ferner zu dem Schluss, dass der Westen seine Vormachtstellung verloren habe. Der ungarische Premier wörtlich: “Wirtschaftlich leben wir in einer Welt ohne westliche Vormacht. Die EU verliert ständig an Wettbewerbsfähigkeit. Sie hat keine Strategie und keine Führung. Was hier passiert, ist peinlich.”
Laut Orban verschieben sich die Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft zunehmend nach Osten. China und Indien entwickelten sich “rasant”. Deshalb kommt er zu der Feststellung: “Wenn Ungarn nur Wirtschaftsbeziehungen zu Europa pflegt, ist es verrückt.”
Auf die Frage, warum er die EU ständig für ihre “Kriegspolitik” kritisiere, sagt Orban: “Weil wir im Februar 2022 einen grossen Fehler gemacht haben. Wir hätten den Konflikt sofort isolieren, einen Waffenstillstand erzwingen und Verhandlungen beginnen müssen.” Es sei von Anfang an klar gewesen, “dass ein ukrainischer Sieg unmöglich ist, solange wir keinen totalen Krieg anfangen”. Orban zufolge kann die EU der Ukraine “heute nur mit einem Waffenstillstand und einem Frieden helfen”.
Wie Orban gegenüber der NZZ überdies ausführt, war es “ein Fehler”, die Ukraine “glauben zu lassen, dass wir (der Westen; Anm.) bis zum Sieg an seiner Seite stehen. Das ist nicht so.” Angesprochen auf die territorialen Zugeständnisse, welche die Ukraine zur Erlangung eines Friedens gegenüber Russland wohl machen müsse, meint Orban: “Das wäre am Anfang viel leichter gewesen. Inzwischen haben so viele Ukrainer ihr Leben verloren, weil sie ihr Land verteidigten. Wofür sind sie nun gestorben? Das ist ein ernsthaftes moralisches Dilemma – zum Glück nicht meines.”
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