
Wehrdienst auf dem Prüfstand: Pistorius stellt Freiwilligkeit infrage
Mitten in der sicherheitspolitischen Neujustierung Deutschlands rückt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Wehrpflicht wieder ins Blickfeld – auch wenn sie bislang offiziell ausgesetzt ist.
In seiner Rede vor dem Bundestag machte der Minister deutlich, dass die geplante Neuausrichtung des Wehrdienstes wohl nicht dauerhaft auf Freiwilligkeit beruhen wird. Angesichts wachsender sicherheitspolitischer Risiken und eines chronischen Personalmangels in der Bundeswehr sei eine Rückkehr zur Pflicht „nicht ausgeschlossen“.
Mehr Soldaten, mehr Verantwortung
„Es braucht Männer und Frauen, die bereit sind, Verantwortung für unser aller Sicherheit zu übernehmen“, betonte Pistorius im Plenum. Es gehe nicht nur um moderne Ausrüstung und bessere Strukturen, sondern vor allem um „ausreichende Personalstärke“. Die angestrebte Aufstockung der Truppe sei ohne entsprechendes Engagement aus der Bevölkerung kaum zu stemmen.
Aktuell zählt die Bundeswehr etwa 180.000 aktive Soldaten. Ziel sei es, diese Zahl bis 2031 auf mindestens 200.000 zu erhöhen. Zum Vergleich: 1987 – auf dem Höhepunkt der alten Wehrpflichtära – lag die Truppenstärke noch bei rund 500.000. Im internationalen Vergleich fällt Deutschland heute mit Rang 31 deutlich zurück.
Erfolg mit dem „schwedischen Modell“?
Pistorius setzt derzeit auf ein freiwilliges Modell, das sich an Schweden orientiert. Dort wird flächendeckend erfasst, wer für den Dienst infrage kommt – und aus dieser Gruppe werden geeignete Kandidaten ausgewählt. Auch in der Bundesrepublik sollen künftig alle jungen Menschen ein offizielles Schreiben erhalten, um für den Dienst geworben zu werden. Männer sind dabei verpflichtet, zu antworten, Frauen können dies freiwillig tun.
Pistorius mahnt Tempo an
Mit Blick auf die Finanzierung bekräftigte der SPD-Politiker: „Bedrohungslage geht vor Kassenlage.“ Die Sicherheit Deutschlands dürfe nicht unter fiskalischen Restriktionen leiden. Bereits vor Bildung der neuen Regierung hatten Union und SPD eine rechtliche Grundlage geschaffen, um Verteidigungsausgaben oberhalb der Schuldenbremse zu ermöglichen – sofern sie über ein Prozent der Wirtschaftsleistung hinausgehen.
Angesichts maroder Infrastruktur, unterfinanzierter Kranken- und Pflegekassen sowie eines Rentensystems, das am Rande des Kollapses steht, stößt die milliardenschwere Aufrüstung der Bundeswehr auf scharfe Kritik. Kritiker warnen, dass durch die Priorisierung militärischer Ausgaben dringend benötigte Mittel in zentralen Bereichen von Gesellschaft und Wirtschaft fehlen könnten.
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