Wiener Schnitzel-Affäre: Verfahren eingestellt – doch Veröffentlichung fehlt
Das Verfahren zur umstrittenen Wiener Schnitzel-Gutschein-Werbung – Kosten: 2,4 Millionen Euro – wurde eingestellt. Doch die Entscheidung ist bis heute nicht öffentlich abrufbar. Auf Nachfrage des exxpress schieben sich die Justizbehörden gegenseitig die Verantwortung zu.
Ganz Wien bekam einen Schnitzel-Gutschein – doch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ, Bild) legte noch drauf: Millionen für Eigenwerbung – bezahlt vom Steuerzahler.APA/GEORG HOCHMUTH
Das Verfahren zur millionenschweren Schnitzel-Gutschein-Werbung der Stadt Wien ist seit Mitte September beendet – der exxpress berichtete. Eigentlich sollte die Einstellung des Ermittlungsverfahrens in einer zentralen Online-Datenbank der Justiz, der sogenannten Ediktdatei, abrufbar sein. Doch dort: Fehlanzeige. Die Entscheidung ist nach wie vor nicht öffentlich zugänglich.
Als der exxpress nachfragt, beginnt ein bürokratisches Versteckspiel: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verweist auf die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, weil diese für die Veröffentlichung zuständig sei. Die OStA Wien wiederum schickt die Anfrage „an die dafür zuständige Medienstelle der WKStA“ zurück. Ein merkwürdiger Zuständigkeits-Pingpong – mitten in einer Causa, bei der es um Transparenz, öffentliche Gelder und zweifellos ein erhebliches öffentliches Interesse geht.
Der teure „Schnitzelbonus“ nach dem Lockdown
Im Sommer 2020 – kurz nach dem ersten Corona-Lockdown – verschickte die Stadt Wien sogenannte Gastro-Gutscheine: 25 Euro für Einpersonenhaushalte, 50 Euro für Mehrpersonenhaushalte. Rund 950.000 Wiener Haushalte erhielten die Bons, mit denen sie in Restaurants, Kaffeehäusern und Lokalen bezahlen konnten. Die Aktion sollte die Gastronomie nach den monatelangen Schließungen stützen und kostete die Steuerzahler insgesamt rund 34 bis 39 Millionen Euro.
Etwa elf Millionen Euro davon flossen über rund 300.000 eingelöste Gutscheine tatsächlich an die Betriebe. Parallel dazu schaltete die Stadt Wien eine groß angelegte Inseraten- und Medienkampagne um 2,4 Millionen Euro, um die Bevölkerung über die Aktion zu informieren – inklusive Fernsehspots, Webvideos und Anzeigen.
Selbst das Begleitschreiben mit den Gutscheinen trug den Absender von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) samt Grußwort und Foto. Die Opposition nannte ihn dafür bald den „Inseraten-Kaiser“.
Warum Werbung, wenn ohnehin jeder den Gutschein bekam?
Die Folge: zahlreiche anonyme Anzeigen. Der Fall beschäftigte daraufhin die WKStA, die 2024 Ermittlungen einleitete. Im Raum stand der Verdacht, dass die Werbeausgaben gegen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen könnten – immerhin hatte jeder Haushalt den Gutschein ohnehin per Post erhalten. Wozu also noch Werbung?
Nach etwas mehr als einem Jahr kam die Entscheidung: Verfahren eingestellt.
Die Werbung sei „nicht als unzulässig zu qualifizieren“, hieß es. Aufgrund der damaligen Pandemie-Situation habe ein besonderes Informationsbedürfnis bestanden, überdies seien die Ausgaben in den Akten „hinreichend dokumentiert und begründet“.
Kein Eintrag in der Ediktdatei – keiner fühlt sich zuständig
Auffällig bleibt dennoch: In der Ediktdatei, der offiziellen Online-Datenbank der Justiz, in der Verfahren, Anklagen oder Einstellungen veröffentlicht werden, fehlt bis heute jeder Eintrag.
Während die WKStA auf die Oberstaatsanwaltschaft Wien verweist, sieht sich diese wiederum nicht verantwortlich. Damit bleibt unklar, wer in der Justiz tatsächlich für Transparenz sorgt – oder ob überhaupt jemand will, dass diese Entscheidung öffentlich einsehbar wird.
Warum dieses Chaos?
Eigentlich ist laut § 35a Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG) die Oberstaatsanwaltschaft für die Veröffentlichung solcher Entscheidungen zuständig – nicht die WKStA. Die Ediktdatei selbst wird vom Justizministerium als technische Plattform betrieben (§ 89j Gerichtsorganisationsgesetz).
Seit 2011 veröffentlichen Oberstaatsanwaltschaften dort regelmäßig Einstellungsbegründungen, meist unter dem Vermerk „Veröffentlicht durch: OStA Wien“. Dass sich im aktuellen Fall beide Behörden gegenseitig die Verantwortung zuschieben, ist daher irritierend und ein Bruch mit der üblichen Praxis.
Eine Veröffentlichungspflicht besteht bei besonderem öffentlichen Interesse. Daher wäre gerade in einem Verfahren, das den Umgang mit Steuergeld betrifft, Transparenz eigentlich selbstverständlich.
Kurz: Ein Verfahren wurde eingestellt – die Transparenz gleich mit.
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