Ich habe mir in den letzten Jahren eine andere Technik angeeignet, die des zum Menschen gewordenen Zufallsgenerators. Als solcher horte ich tausende Bücher und Zeitschriften zu Hause. Jeden Tag greife ich mir dann aus einem der vielen Stöße ein beliebiges Exemplar heraus, meist mit geschlossenen Augen, und beschäftige mich dann intensiv damit. Unlängst habe ich die neueste Ausgabe der Zeitschrift Trend aus einem Bücher- und Zeitschriftenhaufen herausgezogen. Zuerst bin ich erschrocken, hatte ich doch dieses Wirtschaftsmagazin als Fotosammlung von Managern in Erinnerung, die sich durch indezente Selbstbeweihräucherung dem Arbeitsmarkt als Ware anpreisen. Eingeleitet wird das Magazin auch noch dazu von kommentierenden linksliberalen Ex-Profiljournalisten, die die üblichen langweiligen narrativen Stereotype über die Gefahr von rechts, das segensreiche Wirken der EU und die bevorstehende Erhebung des Antichristen im Osten verbreiten. Alles, was ich aufgrund meiner Erinnerung befürchtet hatte, bewahrheitete sich, nur waren der Redaktion diesmal zwei Beiträge ins Heft gerutscht, die außerordentlich gut und lesenswert sind. Der erste Beitrag ist ein Essay von Rudolf Taschner, der in seiner unnachahmlichen, unaufgeregten und gleichzeitig präzisen Art das Potential der EU und die Hemmnisse, die dessen Entfaltung entgegenstehen, beschreibt.

Für Münkler sind die Wahlparolen unserer Tage „von einer unverschämten Belanglosigkeit, die den Wähler für dumm verkaufen.“

Mit Karl Jaspers verweist Taschner auf die „geistige Kraft Europas“, aus der heraus es fähig ist, alle „herausfordernden Krisen“ zu meistern. Mit der geistigen Kraft ist die europäische Aufklärung mit ihrer Forderung an die Menschen, durch den Gebrauch der Vernunft den Ausgang aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu erreichen. „Sapere aude“ ist der europäische Imperativ. Lässt sich der Kontinent von ihm leiten, dann wird er unbezwingbar sein. Vor allem drei Bedrohungen muss sich Europa durch mutiges vernünftiges Denken und Handeln entgegenstellen, der überbordenden Migration, die oft den politischen Islam im Gepäck hat, dem Wokismus als ein Paradebeispiel des unaufgeklärten Denkens und der verblendeten Ideologie vom „Siegfrieden“ im Ukraine-Krieg. Letztere wäre durch eine faire Diplomatie zu ersetzen, die so schnell wie möglich Frieden schafft und damit das sinnlose Massensterben auf den Schlachtfeldern beendet.

Gleich an den Essay des Mathematikers schließt sich ein Interview mit Herfried Münkler an, dem international renommierten Politikwissenschafter, dessen Lehrveranstaltung an der Humboldt-Universität zu Berlin von links-woken Spinnern jahrelang verunglimpft und torpediert wurde, weil er angeblich ein Rassist sei und dem rechten Carl Schmitt in seiner Vorlesung zu viel Raum gegeben hätte. Die üblichen hirnverbrannten Vorwürfe also. In seinem Interview weist Münkler auf zwei bedeutende Probleme hin. Zuerst, dass unser Sozialsystem zu stark „ausgepolstert“ sei und man darüber nachdenken müsste, die eine oder andere Auspolsterung zurückzunehmen. Und zum Zweiten, dass die Politik sich diesem Thema und anderen verweigert und anstelle dessen eigentümliche Wahlkämpfe für „gutes Klima“ und „gegen Hass“ machen würde. Für Münkler sind die Wahlparolen unserer Tage „von einer unverschämten Belanglosigkeit, die den Wähler für dumm verkaufen.“

Die Grünen sprengten sich mit der Herzchen-Kampagne für Lena Schilling selbst in die Luft.

Und damit sind wir schon bei den EU-Wahlkämpfen der österreichischen Parteien, die durch die Bank monströs waren, was deren „Belanglosigkeit“ betrifft. So erstickte die SPÖ-Kampagne ihren guten Spitzenkandidaten Andreas Schieder unter einem Haufen glanzloser Fotos und dem nichtssagenden Generalslogan „Europa fair gestalten“. Die ÖVP unterstrich die Farblosigkeit ihres Listenführers durch den blassen Slogan „Europa aber besser“ und die Grünen sprengten sich mit der Herzchen-Kampagne für Lena Schilling selbst in die Luft, die den Wahlkampf in der Rolle der heiligen Bernadette Soubirous begann und ihn als die gefallene Frau Maria Magdalena beendete. Sie wurde aber, wie das Original, vom Allmächtigen pardoniert. Er bestrafte sie und die Grünen lediglich mit einem Minus von nur 3% milde.

Beim französischen Autor Alain de Benoist, er gehört der neuen Rechten an, ich lese ihn aber trotzdem, genauso wie ich Rammstein T-Shirts trage, weil ich mir von woken Diskurs-Terroristen weder meine Lektüre noch meine Bekleidung vorschreiben lasse, findet sich der Ausspruch einer französischen Mittelschichtangehörigen. Er lautet: Die Eliten machen sich Sorgen wegen dem Ende der Welt, die normalen Menschen wegen dem Ende des Monats. In diesem Spruch ist auf den Punkt gebracht, warum die rechten Parteien heute Wahlen gewinnen und die progressiv-neoliberalen und linken Parteien sie verlieren. Die Rechten gewinnen, weil sie vernünftig denken, lebensweltnahe Vorschläge machen und tatsächlich ihr Herz am Volk haben. Denn man kann noch so viele Herzchen mit den Händen formen und von „Herz statt Hetze“ schwadronieren, wenn man nicht die Nöte einer von steigenden Mieten, Energieverteuerung, explodierenden Verbraucherpreisen und migrantischer Kriminalität gequälten Bevölkerung begreifen und in Gegenmaßnahmen übersetzen kann, hat man schon verloren, bevor man richtig mit seiner Kampagne begonnen hat.

Anstelle dessen wird den Mittel- und Arbeiterschichten das Ideal einer multikulturellen LGBTQ-Gesellschaft einzutrichtern versucht, das diese einerseits praktisch immer nur von seiner dunkelsten, nämlich kriminellen Seite erleben und das sie andererseits ästhetisch und lebensstilistisch verschreckt und abstößt. Und das Leitmotiv dieser ganzen Tortur ist ein borniertes Moraldiktat, dessen Werte in der Regel nicht aus der Natur des Menschen, sondern aus religiösen Mythen oder einem idealistisch zusammengesponnenen „humanistischen“ Menschenbild abgeleitet werden. Und dann wundert man sich, dass sich die mit wirklichen Lebensproblemen belasteten normalen Menschen von den akademischen Kirchen der Hipster-Bobos auf ihren Lastenfahrrädern ab und dem „populistischen Dämon“ zuwenden.