Sehr geehrte Frau Ministerin Gewessler!

Ich wende mich, in einer für viele Österreicher und EU-Bürger äußerst dringlichen Thematik, die Sie mitentscheiden und verantworten, an Sie. Es geht um die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die für die europäische Land- und Forstwirtschaft und die ländlichen Regionen der EU erhebliche Nachteile bringt und von Ihnen als Umweltministerin unterstützt und gefordert wird. In den folgenden zehn Minuten möchte ich aus der Sicht eines jungen Land- und Forstwirts, der täglich mit den negativen Herausforderungen des Klimawandels konfrontiert ist, darlegen, warum sich Ihre Vorhaben selbst widersprechen. Weiters möchte ich Ihre Positionen und Ihr Verhalten, das zu einem unerfreulichen Anstieg der Ablehnung gegenüber der EU führt, beschreiben und hinterfragen.

Warum beschäftigt mich das überhaupt? Ich lebe und arbeite seit meinen Kindertagen in und mit unserem forstlich dominierten Familienbetrieb, der sich entlang der Donau, inmitten Niederösterreichs befindet. Seit Generationen bewirtschaftet meine Familie, wie auch 145.000 andere bäuerlich und ländlich geprägte Familien in Österreich unsere Flächen. (82 % des österreichischen Waldes sind privat, größtenteils im Kleinwaldbesitz) Unter anderem für und im Namen dieser Familienbetriebe, schreibe ich diesen Brief an Sie. Schon immer bewirtschaften wir Familienbetriebe unsere Flächen im Einklang mit der Natur und haben größtes Interesse daran, diese nachhaltig zu nutzen und nie mehr aus den Flächen zu entnehmen, als der Boden hergibt und auch nachwächst. Wir Land- und Forstwirte lieben und beleben die Natur und sind so stark mit ihr verbunden, wie keine andere Berufssparte in Europa.

Doch worum geht es konkret? Die „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“, auch „Renaturierungsgesetz“ genannt, steht kurz vor einem EU-Beschluss, nachdem das EU-Parlament bereits mit knapper Mehrheit zugestimmt hat. Der durchaus ansprechende Name dieser Verordnung hält allerdings in seiner derzeitigen Form nicht ansatzweise das, was er verspricht.

Zu den Fakten:

Die EU-Kommission hat im Zuge des „Green Deals“ mit der besagten Verordnung einen Gesetzesvorschlag initiiert, der in extremer Weise die Landnutzung auf einem großen Teil der EU-Fläche stark einschränken oder verbieten soll. Um nur zwei der vielen drastischen Maßnahmen der Verordnung zu nennen: In der EU sollen schon bis 2030, 20 % der bewirtschafteten Flächen, komplett renaturiert und somit außer Nutzung gestellt und in ihre Ursprungsform zurückversetzt werden. Weiters sollen beispielsweise Pflanzenschutzmittel und Handelsdünger in allen Natura 2000-Schutzgebieten zur Gänze verboten und somit die Landwirtschaft in manchen Bereichen unmöglich gemacht werden. Zwei konkrete Beispiele dazu werde ich später ausführen. Dass die im Gegensatz zur Wirtschaft Chinas oder den USA durchaus gefährdete Wirtschaftslage der EU durch den Verlust eines großen Teils ihrer Produktionsflächen damit noch mehr unter Druck stehen würde und weiters die regionale Ernährungssicherheit gefährdet wäre, soll hier nicht vorrangig Thema sein.

Die mächtige EU-Institution des Ministerrats, der Sie als Umweltministerin Österreichs neben 26 weiteren Ministern der EU-Mitgliedsstaaten angehören, steht kurz vor der Abstimmung zur besagten Verordnung. Es ist noch nicht klar, ob das besagte Gesetz im EU-Umweltrat in seiner derzeitigen Form eine Mehrheit bekommt. Ihre Stimme könnte entscheidend sein. Bis vor kurzem war, obwohl Sie als Ministerin eine persönlich andere Meinung haben, aus österreichischer Sicht klar, dass man gegen die Gesetzesinitiative stimmen wird. So haben sich unter anderem alle neun Bundesländer, die in letzter Konsequenz die Verordnung in die Praxis umsetzen müssten, dagegen ausgesprochen.

Nun ist Ihrem Ministerium und NGO´s gelungen, Wien, das flächenmäßig kleinste Bundesland, dass für nicht einmal 1 % unserer land- und forstwirtschaftlichen Produktion verantwortlich ist, umzustimmen. Auch Kärnten unter einem roten Landeshauptmann hat überlegt, sich Wien anzuschließen. Das führt dazu, dass Sie sich als grüne Umweltministerin gegen die Mehrheit der Bundesländer und den bis dato Konsens der österreichischen Bundesregierung stellen wollen. Um es deutlicher zu formulieren, haben Sie vor kurzem also angekündigt, Ihr Abstimmungsverhalten Ihrer persönlichen Meinung zu unterwerfen und im Ministerrat Österreichs Stimme für, und nicht, wie eigentlich beschlossen, gegen die Verordnung abzugeben. Sie stellen sich damit bewusst gegen die bisher klare Linie in der Bundesregierung und klar gegen 7 der 9 Bundesländer, die 87 % der Landesfläche und 95 % der land- und forstwirtschaftlichen Produktion Österreichs verantworten. Vor allem aber stellen Sie sich als unsere Ministerin gegen die ländliche Bevölkerung Österreichs. Sie bringen neben 145.000 Familienbetrieben eine große Zahl an von der Land- und Forstwirtschaft und den damit verbundenen Sektoren abhängigen Personen in eine existenzielle Bedrohung.

"Über 80 % unserer Gesamtfläche liegt in Natura-2000 Schutzgebieten"

Zur näheren Veranschaulichung möchte ich Ihnen zwei Beispiele aus der Praxis, die für Menschen in hohen Positionen wie Ihnen oft in weiter Ferne liegt, veranschaulichen. Ich will Ihnen dadurch ganz konkret und realistisch aufzeigen, wie sich Ihre Entscheidung direkt und sehr negativ auswirkt.

Zuerst möchte ich darlegen, wie sich das besagte Gesetz auf unseren Familienbetrieb auswirken würde. Von unserem Betrieb leben neben meiner Familie, die zur Gänze an unserem Betrieb mitarbeitet, vier Mitarbeiter. Weiters machen auf unseren Waldflächen um die 85 Familien aus der Region jährlich ihr Brennholz, und heizen ihre Häuser somit klimaneutral. Damit noch lange nicht genug, würde man beispielsweise an die holzverarbeitenden Betriebe denken, denen wir und andere Forst- und bäuerliche Betriebe den nachhaltigen und Kohlenstoff-speichernden Bau- und Rohstoff Holz liefern. Doch warum wären all die eben aufgezählten Menschen von dem Gesetz und Ihrer Entscheidung als Ministerin direkt betroffen?

Ungefähr die Hälfte der Flächen unseres Betriebs sind Auwald und liegen an beiden Seiten der Donau. Über 80 % unserer Gesamtfläche liegt in Natura-2000 Schutzgebieten. Da uns das Klima und die Artenvielfalt ehrlich am Herzen liegt, haben wir selbst im Rahmen von kleinen Projekten bereits über 40 Hektar Grün- und Ackerland stillgelegt und neu aufgeforstet. Weiters haben wir im Zuge einer neu gebauten, von uns nicht gewollten Autobahnbrücke durch die Au, eine kleine Fläche als Naturschutzgebiet stillgelegt und haben die Nutzung in einer besonders schützenswerten Waldfläche eingestellt und dort ein Trittsteinbiotop angelegt. Wir haben also bereits selbst punktuell einige sinnvolle Maßnahmen umgesetzt. Ihr Vorschlag sieht nun aber vor, dass besonders schützenswerte Gebiete, zu denen der Auwald (übrigens auch unserer Sicht) jedenfalls zählt, zur Gänze außer Nutzung gestellt werden.

Wenzel Bubna ist Förster am Gutsbetrieb der Familie in Donaudorf im Bezirk Krems.Privat

Auwälder machen in Österreich nicht einmal 5% der Waldfläche aus. Es liegt also auf der Hand, dass unsere Flächen laut derzeitigem EU-Vorschlag bevorzugt und so schnell wie möglich aus der Nutzung genommen werden sollen. Ob wir als Grundeigentümer dabei auch nur ein Wörtchen mitreden dürfen oder entsprechend entschädigt werden, wurde bis heute nicht kommuniziert. Das mag daran liegen, dass den unterstützenden Kräften dieses Gesetzes, zu denen Sie sich zählen, wohl noch nicht klar ist, wie man 20% der EU-Fläche finanziell entschädigen soll. Nur als Beispiel: Würden 20% der Flächen im verhältnismäßig kleinen Österreich mit ihrem derzeitigen Wert (2,3€/m²-angenommener Durchschnittswert) entschädigt werden, wären das um die 50 Mrd. €, was fast der Hälfte unseres staatlichen Gesamtbudgets entspricht. Da ist aber noch keine einzige Renaturierungs-Maßnahme eingerechnet!

Neben dem Auwald könnten auch unsere restlichen Flächen betroffen sein, da diese eben in Natura-2000 Schutzgebieten liegen und unsere Region prinzipiell nicht von viel Wald geprägt ist. Durch Ihren Beschluss könnte unserem Betrieb somit von heute auf morgen seine Produktionsgrundlage entrissen werden. Neben uns als Familie wären unsere Mitarbeiter davon direkt betroffen, da wir auf gut österreichisch „zuaspean“ müssten. Dass auch die 85 Familien, die den klimaneutralen und nachwachsenden Rohstoff Holz nicht mehr als Brennstoff nutzen könnten betroffen wären und eventuell auf klimaschädlichere Energieträger wie Öl oder Gas zurückgreifen müssten, liegt auf der Hand. Andere Land- und forstwirtschaftliche Betriebe in unserer Region, wie auch im restlichen Österreich wären davon genauso betroffen. Ist das wirklich was sie als Grüne, ich zitiere „nachhaltig, regional und klimafreundlich denkende“ Ministerin anstreben?

Die Folgen für Wein- und Obstbaugebiete wie die Wachau

Ich möchte zu einem zweiten kurzen Beispiel übergehen. Die Region Wachau an der Donau ist weltberühmt und hat vor allem wegen ihren Wein- und Marillen-Flächen und der damit verbundenen Kultur zurecht den Status des Weltkulturerbes. Die gesamte Wachau ist Natura 2000 Schutzgebiet. Wenn es also zur von Ihnen angestrebten Verordnung käme, wären Pflanzenschutzmittel (im Volksmund schlicht „Spritzmittel“) in der gesamten Wachau nicht mehr erlaubt. Ich gehe davon aus, dass Sie sich in Ihrer Zeit als politische Geschäftsführerin bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 näher mit Pflanzenschutzmitteln befasst haben. Sie dürften also wissen, was das Renaturierungsgesetz für eine Region wie die Wachau bedeutet. Wein- und Obstbau funktionieren im wirtschaftlichen Sinne unter anderem aufgrund des Klimawandels ohne Pflanzenschutzmittel schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Würde das Gesetz nun so, wie derzeit von der EU-Kommission vorgeschlagen umgesetzt, wäre Wein- und Obstbau in der Wachau schon in fünf Jahren ein Teil der Geschichte. Neben dem Schicksal der 3000 Wein- und Marillen-Bauern in der Wachau könnte somit auch eine von zwei Weltkulturerbe-Regionen Österreichs dem Untergang geweiht sein.

Zum Schluss möchte ich versuchen Ihnen klarzumachen, was Sie bzw. die Grünen und andere Personen und Parteien, aus dem extremen Teil der Grünen und Linken in der EU erreichen und welche politischen Konsequenzen daraus entstehen. Die „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur” ist nicht das erste EU-Gesetz, dass bei der Mehrheit der österreichischen und wohl auch europäischen ländlichen Bevölkerung für Entsetzen und Kopfschütteln sorgt. Man braucht sich nur näher über Ihr und Ihresgleichen Vorgehen bei Gesetzen wie dem EU deforestation law (EUdR) /EU-Entwaldungsverordnung, oder der Renewable Energy Directive (RED III)/Erneuerbare Energierichtlinie III im Bezug auf die von Ihnen gewünschte Aberkennung von Biomasse als Erneuerbarer Energieträger, auseinandersetzen. Dass bewirtschafteter Wald mindestens genauso viel CO2 speichert wie nicht-bewirtschafteter, wurde mittlerweile durch etliche Studien belegt. Auch, dass verarbeitetes Holz langfristig Kohlenstoff speichert und absterbende Bäume durch Verrottung den meisten aufgenommenen Kohlenstoff als CO2 wieder freisetzen, wollen Sie nicht anerkennen. Sie stellen sich also bewusst gegen die von Ihresgleichen so oft beschworene wissenschaftliche Meinung.

Dringender Appell an politisch denkenden Verstand

Um es zusammenzufassen, arbeiten Sie auf Basis Ihres unwissenschaftlichen Vorgehens nicht für, sondern teilweise gegen das Klima. Sie und andere von eigentumsfeindlicher Ideologie angetriebene Personen arbeiten mit zweifelhaften Methoden nicht für, sondern gegen die betroffenen Menschen. Sie bevormunden Familienbetriebe, die seit Generationen für, mit und von ihrem eigenen Boden leben. Sie verhöhnen die Natur, das Klima und uns betroffene Menschen, indem Sie diesem und ähnlichen Gesetzen zustimmen und diese öffentlichkeitswirksam unterstützen.

Die Konsequenz aus ihrem praxisfernen und ethisch höchst bedenklichen Verhalten ist ein Zuwachs an Menschen, die die EU verstärkt ablehnen, was mich persönlich traurig macht. In meinem Bekanntenkreis und gerade in der ländlichen Bevölkerung gibt es immer weniger Menschen, die zur EU stehen. Wenn ich erzähle, dass ich ein längeres Praktikum in Brüssel gemacht habe, um die EU besser zu verstehen, ernte ich Misstrauen und Kopfschütteln. Es braucht viel Überzeugungsarbeit, um zumindest gewisse Bereiche und Maßnahmen der Union in ein positives Licht zu rücken. Mit jeder weiteren Maßnahme wie dieser, schwindet auch meine Motivation dies zu tun. Rechtsextreme Parteien gewinnen in ganz Europa vor allem durch Ihr Verhalten stark an Aufwind. Sie müssten doch bereits bemerkt haben, dass Ihr Extremismus nur zu Extremismus auf der anderen Seite führt. Das kann es doch nicht sein, was Sie wollen! Bei der EU-Wahl wird den Prognosen zufolge die grüne Fraktion den größten Verlust einfahren. Die Zahl grüner Abgeordneter wird sich fast halbieren. Durch Ihre Ideologie bringen Sie das wunderschöne Projekt der EU zum Zerbröckeln. In Großbritannien ist es bereits passiert. Wenn Sie als linke und grüne Fraktion/Ministerin/EU-Kommissare und Regierungschefs so weitermachen, werden auf Dauer leider weitere Staaten folgen.

Ich appelliere also an Sie und Ihren politisch denkenden Verstand, dass Sie der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur in seiner derzeitigen Form NICHT zustimmen! Gefährden Sie und Ihre Partei nicht all die betroffenen Menschen und Familienbetriebe, das Klima und die eigentlich so wichtige und wunderbare Europäische Union durch Ihr fahrlässiges Verhalten. Ich appelliere auch an alle Leser und Wahlberechtigten, die mit Ideen wie diesen und der Grünen Partei sympathisieren. Setzen Sie sich ernst- und gewissenhaft mit den Thematiken auseinander, reden Sie mit betroffenen Menschen, machen Sie Praktika oder Exkursionen bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben. Und wählen Sie unbedingt, aber bitte wohlüberlegt! Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Ministerin, entschuldigen, falls ich das ein oder andere Mal polemisch oder leicht überspitzt formuliert habe. Das Thema beschäftigt mich persönlich sehr, weil es neben meiner Zukunft auch die Zukunft vieler anderer Österreicher und EU-Bürger gefährdet.

Ich würde Sie auch gerne zu einer Exkursion an einen Land- und forstwirtschaftlichen Familienbetrieb in unserer Region einladen. Wir würden Ihnen gerne zeigen, dass wir mit und für die Natur und das Klima arbeiten und nicht dagegen. Wald und Felder nachhaltig nützen, heißt das Klima und die Kultur wirklich schützen. Praxisferne Gesetze mit schönen Namen beschließen, heißt einfach nur ideologisch und unwissenschaftlich zu arbeiten. Ich wiederhole meine Bitte und den Appell an Sie, sich Ihre Entscheidungen, die eine Gesellschaft, eine Region oder leider auch ganz Europa negativ beeinflussen können, genau zu überlegen.

Machen Sie´s besser! Ich bin überzeugt davon, dass Sie eigentlich das Zeug dazu hätten.

Mit vorerst enttäuschten Grüßen,

Wenzel B-L

Wenzel Bubna, 26, absolvierte die HBLA für Forstwirtschaft Bruck/Mur, studierte Staatswissenschaften, ist Förster am Gutsbetrieb der Familie in Donaudorf im Bezirk Krems und war 2021 und 2022 Praktikant im Bauernbund und im Büro des EU-Abgeordneten Alex Bernhuber.