Was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, ist die Stadt Wien am Anschlag. Sie hat ihre Quote mit 198 Prozent längst übererfüllt. Die Folge: Der legale Nachzug von Familienangehörigen der Migranten überfordert die Kommune inzwischen vollends, allein aus Syrien und Afghanistan kommen beispielsweise monatlich 300 bis 400 Schulkinder zusätzlich in die Stadt.

Die Attraktivität der Bundeshauptstadt für die Flüchtlinge hat laut ÖVP vor allem einen Grund: Nirgends seien die Sozialleistungen für Asylwerber so verlockend wie im rot-pink geführten Wien. Migranten würden in Österreich nicht mehr dahin gehen, wo es Arbeit gibt, sondern die besten staatlichen Transferleistungen.

Bundesländer "schwächeln" bei Aufnahme-Quoten

Natürlich widersprechen die Wiener: Der Zuzug und entsprechend der Nachzug von Familienangehörigen nach Wien sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass die Bundesländer ihre Aufnahme-Quoten nicht erfüllen würden. Was offenbar zutrifft: In Oberösterreich, Salzburg und Kärnten werden gerade einmal zwischen 51 und 60 Prozent erreicht, im Burgenland und der Steiermark sind es immerhin 86 bzw. 83 Prozent. Nur Vorarlberg schafft mit 98 Prozent annähernd die Quote. Die übrigen Länder liegen irgendwo dazwischen.

Deshalb fordert die Wiener Stadtregierung jetzt eine Art “Wohnsitzauflage” für Flüchtlinge, sieht den Bund in der Pflicht: Asylberechtigte ohne Job sollen demnach nur in jenem Land Sozialhilfe erhalten, in dem auch ihr Asylverfahren durchlaufen wurde. Für drei Jahre sollen sie somit an das jeweilige Bundesland gebunden werden.

Diesen Ruf nach einer “Residenzpflicht” für Asylberechtigte hat zunächst Integrationsministerin Susanne Raab von der ÖVP eine kräftige Abfuhr erteilt. Sie bezeichnete den Wiener Vorstoß als “Themenverfehlung”. Statt Flüchtlinge anderswo mit Sozialleistungen über Wasser zu halten, müsse das Ziel sein, sie rascher in den Arbeitsmarkt zu integrieren: Niemand verstehe, dass Syrer in Wien – wie dem Integrationsbericht zu entnehmen sei – zu drei Vierteln von der Mindestsicherung, also der Sozialhilfe leben, aber Wirtshäuser und Hotels im Westen “händeringend” nach Personal suchten”, sagte sie im Ö1-Morgenjournal.

ÖVP-Stocker: "Menschen sollen dorthin, wo sie Arbeit haben"

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker legte am Mittwoch kräftig nach und sah Wien in der Pflicht, die Sozialhilfe zu kürzen. Die ÖVP habe in Regierungsverantwortung ihren Beitrag geleistet, um die Zahl der Asylanträge zu senken, jetzt sei es “Aufgabe von Wien das Sozialsystem so herzurichten, dass nicht die Menschen wegen der Sozialleistungen nach Wien kommen, sondern wegen der Arbeitsplätze”, sagte Stocker in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Wenn man mehr zahle als alle anderen Bundesländer, dürfe man sich nicht wundern, dass mehr Menschen nach Wien kommen würden, so der ÖVP-Generalsekretär.

Ziel müsse es sein, die Menschen dorthin zu bringen, wo sie Arbeit haben und nicht dorthin, wo sie am meisten Sozialhilfe bekommen. In Bezug auf den Vorschlag, wonach anerkannte Flüchtlinge nur in dem Bundesland Sozialhilfe beziehen dürften, wo ihr Asylverfahren stattgefunden hat, sehe sich die ÖVP als Regierungspartei nicht angesprochen. Dabei gehe es nicht um eine Bundesregelung, sondern um eine 15a-Vereinbarung zwischen den Ländern, sagte Stocker: “Wenn Wien Verbündete in den Ländern findet, gut.” Alles auf die Bundesebene zu heben, weil man die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht habe, sei zu kurz gegriffen. Einmal mehr sprach sich Stocker in Bezug auf den Familiennachzug dafür aus, die Regelungen zu überdenken. Schrauben zur Veränderung sieht die ÖVP etwa bei der Antragstellung, die man mit einer persönlicher Vorstellung verbinden könnte, oder bei der Altersgrenze.

Von der Forderung wird man auch nicht abgehen, stellte Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der pinken Asylsprecherin Stephanie Krisper klar. Er zeigte sich zufrieden darüber, dass über das Ansinnen diskutiert werde und man “immer mehr Unterstützung” erhalte, wie er mit Verweis etwa auf AMS-Chef Kopf hinzufügte. Die anderen Bundesländer würden ihrer Verantwortung nicht nachkommen, befand er einmal mehr. Dabei wäre es für die Integration oder auch den Arbeitsmarkt besser, wenn die Betroffenen an jenen Orten bleiben würden, an denen ihr Verfahren durchgeführt wurde.

Als “befremdlich” bewertete Wiederkehr die Aussagen der ÖVP. Allein auf Wien zu zeigen und zu sagen, Wien sei selber Schuld, sei ein “unanständiges Taktieren”. Man wolle keinesfalls mitmachen beim Sozialdumping, stellte er klar. Wichtig seien einheitliche Sozialstandards mit ausreichend Unterstützung, damit Integration gelingen könne.

Krisper kündigte unter anderem einen Antrag für eine Verstärkung der bundesweiten Integrationsmaßnahmen im Nationalrat an. Sie verwies zudem darauf, dass Wien die Quote bei der Grundversorgung übererfülle sowie darauf, dass 81 Prozent der subsidiär Schutzberechtigten in Wien leben würden. Die ÖVP könne sich gegen die “Landesfürsten” nicht durchsetzen und sei darum untätig, kritisierte sie.

Die NEOS-Abgeordnete appellierte an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), den anderen Ländern “auf die Zehen” zu steigen – etwa um für eine gerechtere Aufteilung in Sachen Grundversorgung zu sorgen. “Und das gern auch mit Strafzahlungen”, fügte sie hinzu. Wien hat ebenfalls bereits wiederholt Sanktionen bei Nichterfüllung der Quote gefordert.

Die SPÖ warf der ÖVP und dem von ihr geführten Innenministerium vor, die Bundeshauptstadt mit dem Familiennachzug seit Monaten im Stich zu lassen. “Jeder Antrag auf Familiennachzug wird durch das schwarze Innenministerium bestätigt, trotzdem wurde Wien immer über die Nachzugszahlen im Dunkeln gelassen”, erklärte SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch laut Aussendung und sprach von einer “Verhöhnung gegenüber der Stadt und ihrer Bevölkerung”.