Wenn in Österreich etwas wirklich geheim ist, ist es so geheim, dass alle davon wissen. Geheim sein, hat in Österreich Tradition, gehört quasi zum guten Ton. Diese Tradition reicht zurück bis in das gute alte Habsburgerreich des 16. Jahrhunderts. Spitzenbeamte der habsburgischen Kronländer trafen sich in den „Kaiserlichen Geheimden Räthen“, um die Ordnung im Reich aufrecht zu halten. Im 18. Jahrhundert verschwand das Gremium, der Titel blieb und bis zum Ende des ersten Weltkrieges hießen die Spitzenbeamten des Kaisereichs „Geheime Räte“. Die Tradition haben wir behalten, so haben wir zwar keinen Hof mehr, aber hunderte Hofräte (Anm.: einer von 1500 amtlichen Titeln in Österreich).

Aber auch bei den geheimen Diensten, Sie wissen schon, James Bond und so, sind wir in Österreich ganz gut aufgestellt. Drei an der Zahl haben wir. Einen zivilen, die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (Nachfolger des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung), das Heeres-Nachrichtenamt (zuständig für das Ausland) und das Abwehramt (sozusagen der Werksschutz des Bundesheeres). Ziemlich viele Geheimdienste für so ein kleines Land denken Sie? Da muss ich Sie leider enttäuschen, denn wir haben keinen einzigen Geheimdienst. Wir haben „sogenannte Nachrichtendienste“. Der Unterschied: Geheimdienste nehmen Einfluss auf das Geschehen und die Politik und nutzen mitunter Gewalt zum Erreichen ihrer Ziele, wo wir wieder bei James Bond wären. Nachrichtendienste hingegen besorgen Informationen für Entscheidungsträger. Dabei gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, im Wesentlichen unterscheiden wir zwei: Entweder sie googeln die Information oder sie fragen eine Person, die es wissen könnte, und sagen nicht für wen sie arbeiten. Sie fragen sich, warum machen die nicht mehr? Tja, der Gesetzgeber erlaubt ihnen nicht mehr und so sind wir so ziemlich das einzige moderne Land, welches keinen ordentlichen Geheimdienst hat. Eine tragisch-komische Anekdote: Unsere Nachrichtendienste dürfen Gespräche nur mit Wanzen aufzeichnen, wenn einer der Beamten selbst im abgehörten Raum sitzt. Heißt der Polizist oder Soldat kann zwar ein Gespräch mit Terroristen aufzeichnen, er muss aber dabeisitzen. Nicht recht geheim also.

Geheime Minister in Österreich

Österreich ist so geheim, dass wir sogar geheime Minister haben. Kennen Sie den Herrn Botschafter Peter Launsky-Tieffenthal? Nicht? Dann achten Sie mal auf die Fotos, wenn unser Bundeskanzler einen wirklich wichtigen Staatsgast zu Besuch hat. Sie werden einen älteren, immer adrett gekleideten Herrn entdecken, perfekt gestylte Frisur und immer ein Lächeln auf den Lippen. Dieser Mann ist einer der wenigen, der es geschafft hat, zu Lebzeiten Legendenstatus zu erreichen. Außergewöhnlich für Österreich, denn schon Falco wusste, dass man bei uns erst sterben muss, um zu leben. Launsky-Tieffenthal war Under-Secretary General der Vereinten Nationen, Regierungssprecher und Generalsekretär im Außenministerium und könnte eigentlich seit Jahren den wohlverdienten Ruhestand genießen. Doch der Kanzler wollte nicht auf ihn verzichten und so ist er heute Sonderberater für Globalfragen des Bundeskanzlers. In dieser Rolle wurde er zum wichtigsten außenpolitischen Berater des Kanzlers und leitet von dort aus die internationalen Agenden Österreichs – seien es die Drittstaatenstrategien oder die aktuellen Geiselverhandlungen zur Befreiung der österreichischen Geisel im Gazastreifen. In dieser Rolle ist er so mächtig, dass keine wesentliche außenpolitische Entscheidung in dieser Republik ohne sein Einverständnis getroffen wird. Wir lernen also, in Österreich gibt es einen Außenminister, eine Europaministerin und einen geheimen Globalminister.

Ziemlich geheim dieses Land, oder eben auch nicht.

Vergelt`s Gott und Freundschaft!
Euer Hofrat Sepp