Das EU-Renaturierungsgesetz – ein sperriger Name für einen umstrittenen Plan. Die Mehrheit der EU-Länder (19) hat sich bereits dafür ausgesprochen, künftig 20 Prozent der Landfläche auf dem Gebiet der Union nach Möglichkeit in ihren Ursprungszustand zurück zu versetzen. Entsiegelung betonierter Flächen, Wiederverwässerung von Moorgebieten, Rückbau begradigter Flüsse, grünere Innenstädte.

Was sich zunächst gut anhören mag, trifft auf große Vorbehalte. Vor allem die heimischen Landwirte fürchten, einmal mehr die leidtragenden der EU-Vorhaben zu werden. Deshalb der Widerstand in Österreich, zumal in den ÖVP-regierten Ländern.

Wegen der Uneinigkeit konnte Leonore Gewessler dem Renaturierungsgesetz bislang nicht zustimmen, Österreich enthielt sich bislang, der Mini.sterfin waren die Hände gebunden.

Doch nachdem jetzt auch Wien und Kärnten grünes Licht signalisierten, scheint die grüne Ressortchefin Oberwasser bekommen zu haben. Am Sonntag kündigte sie überraschend an, nun doch in Luxemburg zuzustimmen. Das könnte schon am heutigen Montag in Luxemburg der Fall sein, wenn die Abstimmung tatsächlich auf der Tagesordnung stehen bleiben sollte. Gewiss ist das nicht.

Ministerin Edtstadler (ÖVP): "Verfassungsbruch"

Gewesslers Solo und die überraschende Ankündigung haben den Koalitionspartner überrumpelt. Und regelrecht brüskiert. Vor allem Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ging auf die Barrikaden: “Die Klimaschutzministerin ist verfassungsrechtlich an die Stellungnahme der Bundesländer gebunden und auch an das Bundesministeriengesetz, wonach sie das Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium herzustellen hat. Sich über die Verfassung und über Gesetze zu stellen ist eine neue Dimension. Das muss und wird rechtliche Konsequenzen haben”, drohte Edtstadler in einer Stellungnahme an.

Die ÖVP-Frontfrau: “Die Ministerin begeht vorsätzlich einen Verfassungs- und Gesetzesbruch. Das ist in höchstem Maße unverantwortlich und befremdlich, ist sie doch wie alle übrigen Regierungsmitglieder vom Bundespräsidenten auf die Verfassung angelobt.“ Unabhängig von der Sache gehe es darum, „dass Recht Recht bleiben muss. Die Ideologie darf niemals über dem Recht stehen”, sagte Edtstadler.

Auch ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der sich von Gewessler ausgebremst und übergangen fühlt, reagierte verärgert: “Gewessler will aus ideologischen Gründen mit der Brechstange für ein Gesetz stimmen, das eine Flut an Überregulierungen und Doppelgleisigkeiten für unser Land bringen wird”, sagte er: “Eine so weitläufige politische Entscheidung ohne Abstimmung mit den Bundesländern und innerhalb der Bundesregierung zu treffen ist nicht nur verantwortungslos, sondern demokratiepolitisch gefährlich. Anstatt sinnvolle Anreize für mehr Klimaschutz und Artenvielfalt zu setzen möchte sie mit Verboten das Leben der Österreicherinnen und Österreicher einschränken.”

FPÖ fordert Machtwort des Kanzlers

Entsetzt zeigte sich auf die FPÖ: “Es liegt in der Verantwortung der ÖVP und von Kanzler Nehammer, sofort durchzugreifen”, sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. „Machtpolitisches Kalkül darf hier nicht über den Interessen Österreichs stehen. Greift die ÖVP nicht durch, trägt sie in vollem Umfang die Verantwortung“, so Schnedlitz.

Während sich SPÖ und NEOS zufrieden und Umweltorganisationen “höchst erfreut” über Gewesslers Entscheidung zeigten, droht hinter den Kulissen die Regierung auseinander zu brechen. Die Grünen haben inzwischen Verfassungsministerin Edtstadler gekontert und betonen die angebliche Rechtmäßigkeit von Gewesslers Alleingang, ob die eigenwillige Ressortchefin das ganze schadlos übersteht, scheint jedoch zweifelhaft. Kommt auch ein bisschen auf ihren Parteichef Werner Kogler an. Der hielt sich merklich zurück. Außer bei Claudia Stöckl auf Ö3: Er verzichtet gerade auf Bier, weil er fastet. Immerhin.