Abwanderung geht weiter: Industrie flieht in Rekordtempo
Weltweite Handelskonflikte, protektionistische Maßnahmen und ein zunehmend unattraktives Investitionsklima sorgen dafür, dass immer mehr deutsche Unternehmen ihre Zukunft nicht mehr in der Bundesrepublik sehen. Eine neue Studie zeigt nun das Ausmaß des Strukturwandels: Die Abwanderung deutscher Industriefirmen ist so stark wie seit Jahren nicht mehr.
Eine gemeinsame Analyse von Deloitte und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) offenbart, wie tief die Verunsicherung sitzt. Laut der Befragung planen 68 % der Industriebetriebe, innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre Produktion ganz oder teilweise ins Ausland zu verlagern – aus Sorge vor Zöllen, politisch motivierten Handelsbarrieren und steigenden Kosten.
Besonders häufig fällt der Blick dabei auf die USA. Mit 26 % hat sich das Land zur wichtigsten Zielregion außerhalb Europas entwickelt – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu früheren Jahren. Ein Grund sind die von Donald Trump eingeführten Importzölle, die einen massiven Anreiz setzen, Produktionskapazitäten direkt in den USA aufzubauen.
Europa bleibt dennoch erste Wahl: 30 % der Unternehmen erwägen einen Umzug in andere europäische Länder. Für viele ist das eine strategische Flucht aus der deutschen Kosten- und Bürokratielast, ohne den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren.
Aber auch Asien bleibt ein Magnet. 16 % der Betriebe denken über China nach, 14 % über Indien, 19 % über andere asiatische Standorte. Viele Firmen prüfen dabei mehrere Alternativen gleichzeitig – ein Zeichen für die Unsicherheit, die sich längst durch die gesamte Industrie zieht.
Jedes fünfte Unternehmen hat Deutschland bereits aufgegeben
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 19 % der deutschen Industrieunternehmen produzieren heute überhaupt nicht mehr in Deutschland. Noch vor zwei Jahren lag dieser Wert bei 11 %. Der Abwärtstrend ist also kein kurzfristiges Phänomen, sondern ein struktureller Prozess, der sich rasant beschleunigt.
Und längst geht es nicht mehr nur um Fertigungslinien. Auch Forschung und Entwicklung werden immer häufiger verlagert – ein alarmierendes Signal für einen Standort, der sich über Innovationskraft definiert.
Energieintensive Unternehmen ziehen bereits die Reißleine
Eine zweite Untersuchung – die Standortperspektiven-Studie 2025 der Beratung Simon-Kucher – bestätigt das Bild. Besonders Betriebe mit hohem Energiebedarf wenden sich von Deutschland ab oder haben diesen Schritt bereits vollzogen.
73 % der befragten Unternehmen verlagern ihre Investitionen ins Ausland. Dramatisch ist vor allem die Lage in der Chemiebranche: 86 % der Produzenten von Basischemikalien bauen Kapazitäten außerhalb Deutschlands auf, ein Drittel davon sogar auf anderen Kontinenten.
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