Österreichs „Rekordbeschäftigung“ entpuppt sich als gefährliche Fata Morgana. Hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine Illusion, die den Wohlstand gefährdet.

Senior-Ökonom Matthias Reith, seit 15 Jahren bei Raiffeisen Research, entlarvt in seinem Kommentar für das Online-Medium Selektiv das vermeintliche „Beschäftigungswunder“ als Beschäftigungsscheinwunder. Seine Diagnose ist alarmierend: Während der Staatssektor explosionsartig wächst, schrumpft die Industrie – die produktivste Säule der Wirtschaft. Das Ergebnis: Mehr Beamte, mehr Steuergeld, weniger Produktivität, weniger Wohlstand.

Beschäftigungswunder: In Wahrheit ein Scheinwunder mit verheerenden Folgen

Knapp vier Millionen Menschen sind in Österreich beschäftigt – eine Rekordzahl. Doch seit Anfang 2023 stagniert diese Zahl, während die Rezession weiter anhält. „Rekordbeschäftigung trotz Langzeitrezession: Wie passt das zusammen?“ fragt Reith. Die Antwort: Der Zuwachs an Arbeitsplätzen stammt fast ausschließlich aus dem öffentlichen Dienst und staatsnahen Bereichen, die seither um 4,7 Prozent zulegten – „in keiner anderen Branche wurde derart viel Personal aufgestockt“.

Im gleichen Zeitraum schrumpfte die Industrie, das Rückgrat der exportorientierten Wirtschaft, um rund 3 Prozent. „Nur im Nachgang der Finanzkrise wurden noch mehr Stellen gestrichen (-6 Prozent).“ Die Beschäftigung in der Privatwirtschaft ging insgesamt um 1,1 Prozent zurück.

Die Baubranche kommt nicht in die Gänge. Im Gegenteil: Sie brach 2024 um 4,2 Prozent ein. GETTYIMAGES/Sean Gallup

Besonders brisant: In der öffentlichen Verwaltung und im staatsnahen Bereich arbeiten zwar mehr Menschen, doch sie arbeiten in Summe nicht mehr. „Das Stundenvolumen ist auf dem Niveau von 2019, für dessen Bewältigung jedoch mehr Arbeitnehmer benötigt werden.“ Der Grund: der Teilzeit-Boom.

Ohne „Teilzeit-Job-Wunder“ wäre Arbeitslosigkeit doppelt so hoch

Österreich gilt mittlerweile als „Vize-Europameister in Teilzeit“. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sank von 32 auf 30 Stunden. Vollzeitstellen gingen um 3 Prozent zurück, Teilzeitstellen stiegen um 12 Prozent. Das gesamte Arbeitsstundenvolumen (privat und Staat) ist seit 2019 um 1 Prozent gesunken, während die Beschäftigtenzahl insgesamt um 4 Prozent stieg.

Ohne diese Verschiebung läge die Arbeitslosenquote nicht bei 5 Prozent, sondern bei 10 Prozent. Österreich würde dann in der EU-Arbeitslosenstatistik auf Platz 4 – als Krisenland – rangieren.

Aufschwung? Zurzeit fehlen dafür die Voraussetzungen. Im Bild (v.l.n.r.): Sepp Schellhorn (NEOS), Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ).APA/HANS KLAUS TECHT

Produktivitätskluft – der Wohlstandskiller Staatsapparat

Noch gefährlicher als die verzerrte Statistik ist die wachsende Produktivitätsschere. Ein Industriearbeiter erwirtschaftet im Schnitt 63 Euro pro Stunde, ein Staatsbediensteter nur rund 35 Euro. Während die Industrie seit 2000 ihre Produktivität um 50 Prozent steigern konnte, stagnierte der Staatssektor bei mageren 9 Prozent – trotz Digitalisierung und KI.

Der aufgeblähte Staatssektor frisst mit einem Übermaß an neuen Beamtenjobs unseren Wohlstand auf. Jeder ineffizient im Staatsdienst ausgegebene Euro fehlt für Investitionen, Innovationen und Wertschöpfung in zukunftsträchtigen Branchen.

Monika Köppl-Turyna (Bild) vom EcoAustria warnt: „Die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe bricht zusammen.“APA/GEORG HOCHMUTH

De-Industrialisierung bedroht Österreichs Zukunft

Die De-Industrialisierung ist längst keine abstrakte Gefahr mehr, sondern Realität. Österreichs Industrie war bisher Motor von Wachstum, Export und Innovation. Während Bund, Länder und Gemeinden ihre Apparate ungebremst aufblähen, verliert die Industrie Arbeitsplätze. Reith spricht von einem „Wohlstandskiller“. Weniger Industrie bedeutet niedrigere Löhne, schwächeres Wachstum und ein zunehmendes Abrutschen Österreichs im internationalen Wettbewerb.

„Das schränkt den Verteilungsspielraum in künftigen Lohnverhandlungen zusätzlich ein.“

Österreichs Warenproduktion bricht zusammen

Das hat handfeste Auswirkungen – und sie sind verheerend. Die Wertschöpfung bei der Herstellung von Waren brach 2024 um 5,6 Prozent ein, während die öffentliche Verwaltung einen Zuwachs von 3,5 Prozent verzeichnete. Ebenso negativ ist die Entwicklung in der Baubranche (-4,2 Prozent), dem Handel (-3,1 Prozent) sowie der Beherbergung und Gastronomie (-0,3 Prozent). Ein Plus gibt es nur in der Fischerei, der Land- und Forstwirtschaft (+2,2 Prozent), in Information und Kommunikation (+1,7 Prozent) und im Grundstücks- und Wohnungswesen (+1,1 Prozent).

Auch Prof. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, kommentiert: „Die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe bricht zusammen. Am schnellsten wachsen die staatsnahen Bereiche.“ Sie verweist auf weitere Veränderungen der realen Bruttowertschöpfung im Jahr 2024. Besonders verheerend ist der Rückgang im Fahrzeugbau (-15,8 Prozent), bei EDV (-9,5 Prozent), Maschinenbau (-9 Prozent), Hochbau (-8,8 Prozent) und Möbeln/Reparaturen (-6,6 Prozent).

Politische Doppelmoral: Alle sparen, nur nicht die Politik

Die politische Dimension ist offensichtlich. Während Bürger und Unternehmen unter hohen Kosten leiden und sparen müssen, wächst der Staatssektor ungebremst. Alle sparen – nur nicht die Politik. Millionen an Steuergeldern fließen in neue Beamtenjobs, während dringend benötigte Fachkräfte aus der Wirtschaft in die aufblähenden Amtsstuben abwandern. Steuerliche Fehlanreize und eine Präferenz für Teilzeitarbeit schwächen die Produktivität weiter. Das Ergebnis: Österreich belohnt „weniger arbeiten“ – auf Kosten von Wachstum und Wohlstand.

Politiker kaufen sich Jobs – wir zahlen die Rechnung. Österreich arbeitet weniger, zahlt aber mehr, und die Industrie, doppelt so effizient wie der Staatsdienst, blutet aus – und mit ihr die Basis des Wohlstands. Der Staat wurde zum Wohlstandsfresser Nr. 1.

Demografie-Schock: Die doppelte Gefahr

Noch dramatischer wird die Lage durch die demografische Entwicklung. Ab 2028 schrumpft die Erwerbspersonenzahl drastisch, während gleichzeitig die Arbeitszeit pro Kopf weiter abnimmt. Diese Kombination aus einem überbordenden Staatsapparat, einem Teilzeitboom und einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung erzeugt eine doppelte Bremse für Wohlstand und Wachstum.

Das teure Beschäftigungstheater

Das „Beschäftigungswunder“ ist in Wahrheit ein mit Steuern und Gebühren finanziertes Beschäftigungstheater. Dahinter verbirgt sich ein toxisches Gemisch: aufgeblähter Staatssektor, ausblutende Industrie, stagnierende Produktivität, Teilzeitboom und eine Politik, die lieber Apparate füttert, statt Wertschöpfung zu fördern.

Wenn wir so weitermachen, ist es der Wohlstand irgendwann futsch – Höhere Löhne und Pensionen nützen dann auch nichts mehr, schließlich kann man Geld nicht konsumieren.