Brennerbasistunnel: Megaprojekt gegen den Transit-Stau
Der Brennerbasistunnel soll das größte Nadelöhr des europäischen Transitverkehrs lösen. Als längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt bringt er schnellere Fahrtzeiten und soll Güter von der Straße auf die Schiene verlagern – doch es gibt auch Kritik.
Indem die Engstelle Brennerpass untertunnelt wird, sollen auf der Schiene die Fahrtzeiten verkürzt und somit der Warenverkehr verlagert werden. Kritiker sehen dies mangels Rahmenbedingungen in weiter Ferne. Die Inbetriebnahme ist 2032 geplant.
Durchbruch zwischen Österreich und Italien
Der Tunnel verläuft dabei auf 55 Kilometern Länge zwischen der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste in Italien. Mit Umfahrungen kommt der Brennerbasistunnel auf eine Gesamtlänge von 64 Kilometern. Samt weiterer Tunnelbauwerke wie etwa dem parallel zu den Hauptröhren verlaufenden Erkundungsstollen – ein Unikum – sollen schlussendlich 230 Tunnelkilometer entstehen. 204 davon und damit 90 Prozent der Gesamtlänge wurden bereits ausgebrochen.
Beim Erkundungsstollen wird am Donnerstag der Durchschlag zwischen Österreich und Italien gefeiert. Dieser verläuft auf einer Länge von 57 Kilometern parallel zu den Hauptröhren auf tieferer Lage. Die Durchschlagsstelle liegt unter rund 1.420 Meter Gebirgsgestein und befindet sich fast unter der Geigenspitze und rund zwei Kilometer Luftlinie vom Brenner nach Südosten. Der Erkundungsstollen sei in der Bauphase sozusagen ein “Testlabor im Maßstab 1:1”, in der Betriebsphase werde er als Teil des Sicherheits- und Instandhaltungskonzepts genutzt, hieß es seitens der Brennerbasistunnelgesellschaft BBT SE.
Die Dimension des Projekts wird auch durch die Menge an herausgebrochenem Gestein mit schlussendlich 21,5 Mio. Kubikmeter verdeutlicht. Das Gestein wird entlang der Trasse an fünf Deponien eingebaut. Die Deponie Padastertal in Tirol ist dabei aktuell Europas größte Erdaushubdeponie. Im kommenden Jahr soll indes der Durchschlag der beiden Haupttunnelröhren am Brenner – mittels Sprengvortrieb – erfolgen und somit der gesamte Vortrieb des BBT abgeschlossen werden.
Kostenlawine am Brenner: Tunnel doppelt so teuer
Nach langen Verhandlungen und Prüfungen im Vorfeld war der offizielle Startschuss für den Bau des BBT im Jahr 2004 durch einen Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien erfolgt. Anfangs ging man von einer Inbetriebnahme im Jahr 2015 und Kosten von rund 4,5 Mrd. Euro aus. In weiterer Folge musste sowohl der Zeitplan als auch der Kostenrahmen mehrfach angepasst werden. Mittlerweile ist die Fertigstellung 2031 und die Inbetriebnahme im folgenden Jahr avisiert. Die Kosten werden mittlerweile mit 10,5 Mrd. Euro angegeben. Österreich und Italien teilen sich diese laut Staatsvertrag jeweils zur Hälfte. Ein Teil davon wird jedoch durch Förderungen der Europäischen Union abgedeckt. Bisher wurden hier 2,3 Mrd. Euro prioritär an CO-Finanzierung zugesagt, wobei dieser Betrag durch weitere Förderungen steigen wird. Die BBT SE werde auch künftig an entsprechenden Ausschreibungen teilnehmen, um Fördermittel zur Deckung der zukünftigen Kosten zu erhalten, sagte ein Sprecher der Brennerbasistunnelgesellschaft zur APA.
Lkw-Flut über den Brenner soll endlich gestoppt werden
Durch den Brennerbasistunnel soll ein Wendepunkt in der jahrzehntelangen Streitfrage des alpenquerenden Transits entstehen. Dieser hatte in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Fuhren Ende der 1980er-Jahre noch weniger als eine Million Lkw über den Brenner, waren es zuletzt bereits fast zweieinhalb Millionen pro Jahr – eine enorme Belastung für Mensch und Natur, vor allem in Tirol. Die so transportierten Waren sollen ihren Weg künftig unter- statt überirdisch finden und so in der Theorie den Zankapfel Transit nachhaltig begraben.
Der Streit im Spannungsfeld zwischen Transitbelastung und freiem Warenverkehr hatte sich zuletzt zugespitzt und in einer Klage Italiens gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gemündet. Die italienische Regierung will so die von Tirol erlassenen Maßnahmen gegen den gestiegenen Transitverkehr wie Lkw-Fahrverbote zu Fall bringen – hierzulande als Notmaßnahmen tituliert.
Kritik an fehlender Schienenoffensive: Bayern blockiert Zulauf
Kritiker bemängeln indes, dass durch den Brennerbasistunnel zwar die Rahmenbedingungen für eine Erleichterung im Transitverkehr geschaffen, jedoch zu wenig für eine tatsächliche Verlagerung des Warenverkehrs auf die Schiene bzw. in den Brennerbasistunnel getan werde. Tatsächlich ging der Anteil der Schiene gegenüber der Straße zuletzt zurück statt nach oben. Um dies zu ändern, wurde mehrfach von verschiedenen Seiten eine Verlagerungspflicht gefordert – bisher blieb eine solche jedoch noch aus. Zuletzt hatte die Tiroler Landesregierung entsprechende Bemühungen angekündigt.
Weiters entpuppten sich die Zulaufstrecken des Brennerbasistunnels insbesondere in Bayern als Problem. Wegen Uneinigkeit zum Trassenverlauf der rund 54 Kilometer langen Strecke dürfte deren Fertigstellung bzw. Inbetriebnahme noch viele Jahre auf sich warten lassen. Als Zeitrahmen stand zuletzt Anfang der 2040er-Jahre im Raum, aufgrund der fehlenden Beschlussfassung könnte sich dies jedoch noch weiter verzögern.
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