CO2-Grenzwerte für Unternehmen: Kommt das Verbrenner-Aus durch die Hintertür?
„Fit für 55“ heißt das Gesetzespaket der EU, womit die Staatengemeinschaft die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken möchte. Teil des Pakets ist die EU-Verordnung 2019/631, die das Verbot von Fahrzeugen mit CO2-Emissionen im Betrieb ab 2035 verbietet. Großes Ziel der Behörden: Bis 2050 soll die gesamte Europäische Union klimaneutral sein.
Nun deutet vieles darauf hin, dass die EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen ihre CO2-Ziele aufweichen wird. Mit einem Brief wandte sich Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz an seine Parteifreundin, um zumindest Hybrid-Modelle und Fahrzeuge mit Range Extender von der Regelung auszunehmen. Doch selbst wenn diese Regelung berücksichtigt würde, droht das Verbrenner-Verbot durch die Hintertür!
Und Friedrich Merz erwähnt in seinem Brief genau dieses Problem. Darin heißt es: „Eine Elektrifizierung von Unternehmensflotten begrüßen wir grundsätzlich, eine pauschale gesetzliche Quote lehnen wir hingegen ab.“
Verbrenner-Verbot wird nicht wirklich aufgelöst
Ursprünglich wollte die EU-Kommission am 10. Dezember genau jene EU-Verordnung 2019/631 auf den Prüfstand stellen, inzwischen ist der Termin auf den 17. Dezember verschoben. Laut Automobilwoche gehen viele Parlamentarier aus Brüssel davon aus, dass das harte Ziel von null Emissionen ab 2035 gekippt wird.
Ob das Verbrenner-Aus grundsätzlich gekippt wird, bleibt weiter unklar. Ein Auto-Lobbyist sagt in der Automobilwoche: „Trotz Gegenwind bleibt EU-Präsidentin Ursula von der Leyen an dem Thema dran.“ Sie verfolge ihre eigene Agenda, und lasse bislang wenig durchblicken.
Verbrenner-Aus weg, Flottenziele her
Womit kann die Automobilwirtschaft also planen? Unklar! Aus Brüssel heißt es, dass von der Leyen aktuell ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Frage legt, wie die EU auch im kommenden Jahr den Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland finanziell unterstützen kann.
Der mögliche Plan: Das aktuell diskutierte Verbrenner-Aus kommt weg. Dafür werden Unternehmen strenge CO2-Grenzwerte für ihre Flotten auferlegt.
Das bedeutet: Privatpersonen könnten dann auch über das Jahr 2035 hinaus einen Verbrenner-PKW zulassen (wahrscheinlich aber nur Plug-in-Hybrid). Für Unternehmen würde das aber nicht gelten. Jedoch sind rund zwei Drittel aller Neuzulassungen von Unternehmen (im Jahr 2024 waren das 1,9 Millionen Fahrzeuge). Der Verbrenner-Markt dürfte damit de facto um 67 Prozent einbrechen, junge Gebrauchte würden fehlen. Es wäre das Verbot des Verbrenners durch die Hintertür.
Werden Unternehmen zu E-Autos gezwungen?
Im Raum steht für die EU-Gesetzesschreiber wohl eine E-Quote für alle gewerblich Neuzulassungen – dazu zählen Firmenfuhrparks, Vermieter sowie Hersteller- und Händlerneuzulassungen – von mindestens 50 Prozent bis 2027 und 90 Prozent bis 2030. Ab 2035 wäre dann sogar eine Quote von 100 Prozent Emissionsfreiheit angedacht. Zusätzlich plant man in Brüssel eine Klausel, die vor allem europäische Fabrikate im Markt bevorzugen soll. Ob das über Förderungen oder Zölle funktionieren soll, ist unklar.
Firmen halten Flottenziele für unerreichbar
Bei betroffenen Unternehmen heißt es, dass eine E-Quote bei Neuwagen von bis zu 100 Prozent ab 2030 schwer vorstellbar sei. Aktuell haben Firmen etwa 23 Prozent E-Autos in ihrer Flotte. Innerhalb weniger Jahre erscheint eine Umstellung unerreichbar.
„Wenn die EU ab 2030 eine Elektroquote für Flotten einführt, würde dies, durch die Hintertür, effektiv einer Vorverlegung des Verbots von Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 gleichkommen, da mehr als die Hälfte aller in der EU verkauften Fahrzeuge von unseren Mitgliedern finanziert und erworben werden“, sagt Richard Knubben, Chef von Leaseurope. Leaseurope ist ein europäischer Dachverband, der 44 Mitgliedsverbände aus mehr als 30 Ländern mit rund 2.000 Leasing-Unternehmen vertritt.
„Elektroquoten für Flottenbetreiber sind vollkommen ungeeignet, da sie die Ursache des Problems nicht adressieren“, sagt Sixt-Vorstand Nico Gabriel. Auch Autovermieter und große Flottenanbieter würden von der EU-Regelung erfasst und fürchten um ihre Geschäftsgrundlage. Gerade die Autovermieter hatten bei der Beschaffung von E-Autos kürzlich den Rückwärtsgang eingelegt.
Für Kurzzeitmieten sind E-Autos äußerst unbeliebt und würden das Geschäftsmodell in Gänze bedrohen. „Kein Kunde, der für wenige Tage ein Auto mietet, wolle sich mit Ladesäulen und Reichweiten-Problemen auseinandersetzen“, sagt ein Branchen-Kenner gegenüber NIUS.
Selbst die CDU-Schwester EVP kritisiert das Vorhaben
Jens Gieseke aus der EVP-Fraktion kommentiert die Pläne in einem Brief, der der Automobilwoche vorliegt: „Die diskutierte Einführung von Vorgaben für Unternehmensflotten halte ich aus ordnungs-, handels- und industriepolitischer Sicht für das völlig falsche Signal“. Er bezweifelt, „dass die Einführung von verbindlichen Quoten der angeschlagenen europäischen Automobilindustrie hilft.“
Nimmt von der Leyen Rücksicht auf die Grünen?
Im Hintergrund könnten machtpolitische Kalkulationen der Kommissionspräsidentin eine Rolle spielen. Dass von der Leyen sogar ihre eigene Fraktion über die Pläne beim Verbrenner-Aus im Dunkeln tappen lässt, sorgt für Unmut. Es könnte sein, dass sie damit besonders Rücksicht auf die Grünen nimmt. Diese waren starke Befürworter des Green Deals und des „Fit for 55“-Pakets und halfen Ursula von der Leyen in ihr Amt.
Und auch von der Leyens Umfeld ist großer Fan der Elektromobilität: So arbeitet die ehemalige Fraktionssprecherin der Grünen, Ruth Reichstein, inzwischen fest im Team der Kommissionspräsidentin als Politikkoordinatorin. Es gilt als unwahrscheinlich, dass von der Leyen und ihr Team elementar am selbst eingeführten Verbrenner-Aus rütteln werden.
Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Partnerportal NiUS.
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