Evelyn Palla, seit Kurzem an der Spitze des Konzerns, macht keinen Hehl aus der Lage. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagt sie offen: „Es wird erst mal nicht besser, so ehrlich müssen wir sein.“

Ihr Ziel für das kommende Jahr klingt deshalb ernüchternd pragmatisch: Stabilisieren – nicht sanieren. Die Bahn wolle zumindest verhindern, dass die Pünktlichkeit weiter abstürzt.

Dabei gilt ein Zug bereits als verspätet, wenn er mehr als sechs Minuten hinter dem Plan liegt – eine Schwelle, die im europäischen Vergleich ohnehin großzügig bemessen ist. Selbst diese Mindestanforderung zu erreichen, scheint für den Fernverkehr aktuell kaum möglich.

Unpünktlichkeit im Oktober sprengt alle Rekorde

Erst im Oktober wurde ein neuer Tiefpunkt bei der Pünktlichkeitsquote erreicht, ist dabei kein Zufall. Die Statistik, die vor kurzem öffentlich wurde, liest sich wie ein Offenbarungseid:

Im Oktober hatten lediglich 51,5 Prozent der Fernzüge weniger als sechs Minuten Verspätung. Damit unterbot die Bahn sogar den bisherigen Negativrekord aus dem Jahr 2023. Schon seit Juni verharrt die Pünktlichkeitsquote Monat für Monat unter der Marke von 60 Prozent.

Baustellenflut statt Befreiungsschlag

Was die Besserung der Lage kurz- bis mittelfristig verhindert, ist das enorme Ausmaß der anstehenden Sanierungsarbeiten.

Für das laufende Jahr veranschlagt die Bahn 26.000 Baustellen – rund 5.000 mehr als im Jahr zuvor – und für 2026 rechnet der Konzern mit einem erneuten, deutlichen Anstieg.

Evelyn Palla begründet diese enorme Belastung mit einer Erkenntnis, die selbst intern viele überrascht hat: Die technische Infrastruktur des Netzes verschleißt deutlich schneller und stärker, als es die bisherigen Modelle und Prognosen vermuten ließen. Betroffen ist nahezu alles, was für den reibungslosen Bahnbetrieb essenziell ist – von Stellwerken und Weichen über Oberleitungen bis hin zu Schienen und ihrem Unterbau. Jahrzehnte lang wurde das System befahren, ohne die nötigen Modernisierungen nachzuziehen. Nun fällt ein Großteil dieser überfälligen Erhaltungsmaßnahmen gleichzeitig an.