Die einstige Exportnation hat an Dynamik verloren – und selbst die milliardenschweren Sonderprogramme der Regierung können die strukturellen Schwächen kaum noch kaschieren. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) blickt zunehmend besorgt auf die Situation.

IWF-Prognose als Weckruf

„Der internationale Wind wird rauer und Deutschland steht mittendrin“, warnte Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Die jüngste IWF-Prognose bezeichnet sie als „Weckruf für Deutschland“. Der Fonds erwartet für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von gerade einmal 0,9 Prozent – damit wird Deutschland wohl erneut den letzten Platz unter den großen Industrienationen einnehmen.

Lange Zeit hatte der IWF Deutschland ermahnt, endlich mehr zu investieren, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Nun fließt zwar Geld in Rekordhöhe – über das Sondervermögen und unbegrenzte Verteidigungsausgaben – doch die Wirkung bleibt bescheiden. Trotz der gigantischen Mittel wächst die Wirtschaft kaum.

„Wir müssen uns umdrehen und gucken, was das Wachstum von morgen bringt“

Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und einer der Architekten des Sondervermögens, mahnte laut ZDF heute: „Wir müssen uns umdrehen und gucken: Was wird das Wachstum von morgen bringen?“ Zwar helfe es, „wenn unsere Brücken wieder funktionieren, auch unsere Straßen besser sind und die Bahn wieder pünktlich ist. Aber dadurch holen wir den technologischen Rückstand, den wir haben, nicht auf.“ Entscheidend seien, so Schularick, Investitionen in Forschung, Entwicklung und Hochtechnologie. Zudem ist klar: Bürokratie muss abgebaut und die Energiekosten gesenkt werden, um die Rahmenbedingungen des deutschen Wirtschaftsstandorts nachhaltig zu verbessern.

Melnikov sieht die Politik in der Pflicht, endlich mutig zu handeln. Drei Jahre ohne Wachstum seien, so ihre deutliche Warnung, „ein Alarmsignal für unseren Wirtschaftsstandort“. Statt kosmetischer Maßnahmen brauche es tiefgreifende Reformen: Entlastung bei Energie- und Steuerkosten, Modernisierung des Sozialstaates und mehr unternehmerische Freiheit seien von zentraler Bedeutung. Nur ein echter Neustart könne Deutschland im globalen Wettbewerb wieder handlungsfähig machen.

Wirtschaftsinstitute zeichnen ein düsteres Bild

Auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute zeichnen ein ernüchterndes Szenario. In ihrem Herbstgutachten, der sogenannten Gemeinschaftsdiagnose, kommen sie zu dem Schluss, dass das Wachstum in den kommenden Jahren fast ausschließlich auf staatlichen Investitionen beruhe. Für 2025 rechnen die Gutachter nach zwei Jahren Rezession mit einem mageren Plus von 0,2 Prozent, 2026 soll das BIP um 1,3 Prozent steigen, 2027 um 1,4 Prozent.