"Es riecht nach Panik": EZB-Spitze ruft Notfallsitzung ein
Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) riefen eine außerordentliche Ratssitzung ein, um die Folgen der aktuellen Verkaufswelle am Anleihemarkt zu erörtern. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen fiel um fast 18 Basispunkte auf 3,96 Prozent.
“Angesichts der Tatsache, dass letzte Woche ein geplantes Treffen stattfand, riecht es nach Panik und mangelnder Kontrolle, aber der Markt ist froh, dass es passiert”, sagte Marktanalyst Neil Wilson vom Broker IG Markets. Der Ausblick der EZB bei ihrer Zinssitzung vergangenen Donnerstag auf eine Reihe von Zinserhöhungen hatte die Renditeabstände (Spread) zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und denen höher verschuldeter südlicher Euro-Länder, insbesondere Italien, weiter auseinander laufen lassen.
Italiens Anleihen im Sinkflug
Nun könnte Ratschefin Christine Lagarde Gegenmittel ausloten, damit die höheren Risikoaufschläge den stärker verschuldeten Euro-Ländern nicht die Luft abwürgen. “Die EZB könnte dem Markt wahrscheinlich zunächst versichern, dass sie ‘alles Erforderliche’ tun wird, um eine Fragmentierung zu verhindern, aber da diese Sitzung abrupt einberufen wurde, könnte sie tatsächlich das Gefühl haben, dass sie mit einem neuen Instrument eingreifen muss – vielleicht mit einer Begrenzung der Renditespreads in irgendeiner Form”, sagte Wilson. EZB-Direktorin Isabel Schnabel brachte dazu bereits die flexible Wiederanlage der Gelder aus abgelaufenen Anleihen im Rahmen des billionenschweren Bond-Kaufprogramms PEPP ins Gespräch.
Anleger griffen am Mittwoch entsprechend bei südeuropäischen Anleihen zu. Die Rendite der italienischen zehnjährigen Papiere fiel im Gegenzug um mehr als 20 Basispunkte auf 3,967 Prozent – der größte Rutsch seit Anfang März. Auch die Verzinsungen spanischer, portugiesischer und griechischer Titel fielen deutlich. Am Aktienmarkt zogen italienische Bankentitel um mehr als sechs Prozent an. Die Geldhäuser waren wegen ihrer großen Bestände an Staatsanleihen zuletzt mit unter die Räder geraten.
Die US-Wirtschaft brummt, die Eurozone nicht
Anleger fieberten auch der Zinsentscheidung der US-Notenbank am Abend entgegen. Weil die US-Inflation im Mai überraschend noch einmal stieg, rechnen Investoren inzwischen mit einer Zinserhöhung der US-Notenbank Fed am Abend (MESZ) um 0,75 statt der signalisierten 0,5 Prozentpunkte. “Die US-Wirtschaft brummt, ganz im Gegensatz zur Eurozone”, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst von CMC Markets. “Daher wird die US-Notenbank vielmehr versucht sein, die Wirtschaft abzukühlen, um sich danach nicht vorwerfen lassen zu müssen, zu wenig getan zu haben.”
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