EU-Pläne bremsen Raten- und Rechnungskäufe: Unternehmen drohen Umsatzverluste
Mehr EU-Regulierung beim Raten- und Rechnungskauf: Seit Ende November ist die neue EU-Richtlinie zu Verbraucherkreditverträgen auch national umgesetzt, gültig wird sie für Käufe ab November 2026.
Kleine Einkäufe etwa über Klarna sind in Zukunft dann nicht mehr einfach „auf Pump“ zu tätigen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Kunden und damit den Verbraucherschutz, sondern bringt ebenso wirtschaftliche Nachteile für die Verkäufer mit sich – vor allem für kleinere Anbieter.
Die neuen Regelungen ersetzen damit das bisherige Kreditrecht aus dem Jahr 2008 und reagieren damit auf digitale Geschäftsmodelle und neue Zahlungsformen wie „Buy now, pay later“. Beschlossen wurden sie bereits im Oktober 2023, hatten aber bisher keine Auswirkungen auf die Verbraucher. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird nun deutlich ausgeweitet.
Künftig fallen auch kleinere Kreditbeträge unter 200 Euro, kurzfristige Finanzierungen und zinsfreie Zahlungsaufschübe über 14 Tage unter das Verbraucherkreditrecht. Anbieter müssen für Kleinstbeträge künftig dieselben Prüfpflichten erfüllen wie bei größeren Krediten. Das gilt beim Kauf auf Rechnung oder dem späteren Bezahlen bei Anbietern wie Klarna oder Paypal. Zur Einordnung: Beim größten deutschen Mode-Händler Zalando werden mehr als zwei Drittel aller Käufe „auf Rechnung“ getätigt.
Verschuldung durch Internetkäufe
Ziel der Reform ist ein einheitlicher Verbraucherschutz im europäischen Binnenmarkt. Der boomt im Online-Bereich, vor allem seitdem Corona den Einkauf vom eigenen Sofa immer beliebter gemacht hat. Damit steigt auch der Anteil der Kunden mit problematischem Konsumverhalten.
Zuletzt zeigten Erhebungen, dass immer mehr junge Erwachsene, vor allem Frauen, sich durch Internetkäufe verschulden. 40 Prozent der Ratsuchenden bei Schuldnerberatern im Alter zwischen 20 und 24 hatten im vergangenen Jahr offene Verbindlichkeiten, bei den Frauen lag die Schuldenlast mit 843 Euro dabei deutlich höher als die der Männer mit 463 Euro. Vor einiger Zeit lag es unter Heranwachsenden sogar im Trend, in sozialen Netzwerken mit den Schulden bei Plattformen wie Klarna anzugeben. In dieser Altersklasse sind es nicht selten Studenten, Berufseinsteiger und Auszubildende, die sich verschulden: Sie werden in Zukunft vermutlich schneller durch die Bonitätsprüfung fallen, ebenso Kunden mit schlechtem Schufa-Score.
Der tatsächliche Effekt auf das Kaufverhalten ist ungeklärt
Die Europäische Union benennt in ihrer Richtlinie selbst, dass bestimmte Online-Finanzierungen zu impulsiven Kaufentscheidungen oder zu übermäßigem Konsum führen können. Die neue EU-Regelung soll das künftig verhindern.
Die Regelungen führen jedoch nicht nur zum Verbraucherschutz, sondern auch zu mehr Bevormundung. Ein schnelles Check-out beim Bezahlprozess könnte künftig etwa deutlich verlangsamt werden: durch das Abfragen von Daten, Bonitätsnachweisen oder anderer Auskünfte. Unklar ist jedoch, welchen Effekt die Hindernisse tatsächlich haben. Ist eine Kaufentscheidung mehr durchdacht und weniger impulsiv, wenn der Kunde mit bürokratischen Hürden belastet wird?
Auch für die Zahlungsdienstleister und Händler ergeben sich einige Änderungen. Wichtig ist der Europäischen Union etwa die Darstellung der Kreditbedingungen. Verbrauchern sollen alle wichtigen Informationen zum Kredit schon vor dem Kauf kompakt und ersichtlich sein – egal ob in der mobilen Ansicht oder auf dem PC. „Mitgliedstaaten sollte es ferner gestattet sein, Werbeanzeigen zu verbieten, die sie als risikoreich für Verbraucher erachten, z. B. solche, die hervorheben, wie leicht oder schnell ein Kredit erhältlich ist“, heißt es in der EU-Vereinbarung.
Außerdem wird das bisher quasi unbegrenzte Widerrufsrecht bei fehlerhafter Belehrung eingeschränkt. Künftig erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, auch wenn die Belehrung fehlerhaft war. Ein weiteres Novum: Erstmals werden klare gesetzliche Zinsgrenzen für Verbraucherdarlehen festgeschrieben. Kreditgeber erhalten dadurch mehr Klarheit über zulässige Zinshöhen, zugleich werden ihre Spielräume bei der Preisgestaltung enger und riskante Hochzinsmodelle rechtlich stärker begrenzt.
Viele rechtliche Fragen sind bisher noch offen
Unklarer ist für die Unternehmen hingegen, wie umfangreich die Bonitätsprüfungen tatsächlich sein müssen. Zwar schreibt die Richtlinie verbindlich vor, dass vor jeder Kreditvergabe die Kreditwürdigkeit geprüft werden muss. Wie umfangreich diese Prüfung sein soll, unterliegt jedoch einem gewissen Interpretationsspielraum.
Diese Unschärfe schafft Unsicherheit. Unternehmen wissen nicht, ob eine einfache Abfrage bei einer Auskunftei ausreicht oder ob sie zusätzlich Einkommen, laufende Ausgaben, bestehende Verpflichtungen oder sogar Konto- und Gehaltsnachweise berücksichtigen müssen.
Besonders für größere Unternehmen mit eigenem Zahlungssystem ergeben sich noch mehr Unsicherheiten: Bei großen Onlinehändlern gelte die Vorschrift nicht, „wenn die Zahlungsfrist maximal 14 Tage beträgt und außerdem kein Dritter den Zahlungsanspruch gegen den Verbraucher erwirbt“. Klassischerweise wäre das etwa Klarna. Ob als Dritte jedoch auch unternehmensinterne Anbieter wie „Zalando Payments“ zählen, bei denen der Geldfluss im Unternehmen bleibt, ist nicht klar.
Kleinere Unternehmen trifft es härter
Nachteile ergeben sich außerdem für kleine Händler und Unternehmen. Die neuen Richtlinien erzeugen Fixkosten, die unabhängig von der Unternehmensgröße anfallen. So braucht es zur Bonitätsprüfung etwa Anpassungen in der IT, auch etwa rechtliche Überprüfungen (von Werbeanzeigen oder Vertragsbestimmungen) oder auch der Aufbau beziehungsweise die Änderung von Compliance-Prozessen sorgen für Mehraufwand – und auch Kosten.
Während große Anbieter diese Ausgaben auf eine hohe Zahl von Käufen verteilen können, sind kleinere Unternehmen stärker betroffen. Gerade bei geringen Warenwerten stehen Prüf- und Verwaltungskosten häufig in keinem angemessenen Verhältnis zum Umsatz. Das macht den Prozess nicht nur für den Kunden unangenehm, der beim Sockenkauf für wenige Euro zukünftig sein Gehalt nachweisen muss, sondern auch für die Unternehmen.
Einige fürchten bereits jetzt, dass die allseits beliebten Käufe auf Rechnung durch die neuen Pflichten deutlich abnehmen könnten. Eine weitere Befürchtung: Durch den erschwerten Kaufprozess können die Händler nicht nur mit weniger Käufen im Allgemeinen, sondern auch mit mehr Zahlungsabbrüchen rechnen. Zusätzliche Prüfungen, Hinweise oder Wartezeiten im Bestellprozess können gerade bei spontanen Online-Käufen dazu führen, dass Kunden den Vorgang abbrechen. Besonders kleinere Händler, die weniger Möglichkeiten haben, Kaufabbrüche durch Marketing oder Preisnachlässe auszugleichen, könnten diese Effekte unmittelbar zu spüren bekommen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich bei unserem Partner-Portal NiUS erschienen.
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