Ex-EZB-Chef fordert 800 Milliarden Euro jährlich für Europas Zukunft
Mario Draghi, der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat die Europäische Union zu massiven jährlichen Investitionen von bis zu 800 Milliarden Euro aufgerufen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu sichern. Draghi warnt eindringlich, dass Europa ohne diese gewaltige finanzielle Anstrengung einem wirtschaftlichen Zusammenbruch entgegensehen könnte.
Draghi, der seine Studie gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorstellte, beschreibt die wirtschaftliche Lage der EU als „existenzielle Bedrohung“. Laut einem Bericht von Bloomberg sieht er das Wirtschaftswachstum der EU langfristig als „deutlich langsamer“ als das der USA. Um diesem Trend entgegenzuwirken, fordert er Investitionen in Höhe von 4,4 bis 4,7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dies entspräche einer Summe, die mehr als das Doppelte der legendären Marshallplan-Hilfen nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt.
Draghi betont, dass diese Investitionen notwendig sind, um die europäische Wirtschaft grundlegend zu transformieren. Ohne eine erhebliche Steigerung der Produktivität werde Europa seine ambitionierten wirtschaftlichen und technologischen Ziele nicht erreichen können.
Stagnierendes Wirtschaftswachstum in der EU
Obwohl die EU mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 16,97 Billionen Euro im Jahr 2023 laut „Statista“ die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ist – nur die USA mit 27,4 Billionen Dollar (24,7 Billionen Euro) liegen vor der EU –, wird die Region zunehmend von Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft geplagt. Während das Pro-Kopf-BIP in den USA zwischen 1993 und 2022 um fast 60 Prozent gestiegen ist, verzeichnete Europa im gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von knapp 30 Prozent. Diese Entwicklung nährt die Befürchtung, dass europäische Unternehmen den Anschluss an die Weltspitze verlieren könnten.
Subventionen als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit?
Draghis Forderungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA, einem umfangreichen Subventionsprogramm, das gezielt Schlüsselindustrien wie die Chip-Produktion und die Automobilbranche in die Vereinigten Staaten lockt. Besonders bemerkenswert sind die großzügigen Steueranreize, die sich dabei auf rund 270 Milliarden Dollar belaufen. Dieses Modell könnte auch der EU als Blaupause dienen, um ihre eigene Wirtschaft zu sanieren und strategische Industrien zu stärken.
Ein konkretes Beispiel für den europäischen Versuch, diesen Ansatz zu adaptieren, ist das geplante Intel-Chip-Werk in Magdeburg (Sachsen-Anhalt), das auf massive staatliche Unterstützung gestützt ist. Ursprünglich waren 6,8 Milliarden Euro an Fördergeldern vorgesehen, diese Summe wurde jedoch auf 9,9 Milliarden Euro erhöht. Trotz dieser finanziellen Zusagen bleibt das Projekt aufgrund der unsicheren Lage von Intel fragil und steht weiterhin auf der Kippe.
Europas Antwort auf globale Herausforderungen
Draghi macht deutlich, dass Europa vor einer wegweisenden Entscheidung steht. Wenn die EU nicht entschlossen handelt und in ihre Zukunft investiert, könnte sie gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten wie den USA und China ins Hintertreffen geraten. Die Subventionen der USA setzen Europa unter Druck, schnell zu handeln, um die Abwanderung wichtiger Industrien zu verhindern.
Abschließend betont Draghi, dass es nicht nur um kurzfristige Maßnahmen geht, sondern um eine grundlegende Neujustierung der europäischen Wirtschaftspolitik. Es ist eine Herausforderung, die nicht länger aufgeschoben werden kann, wenn Europa in der globalen Wirtschaft relevant bleiben will.
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