Gegen die Geldpolitik der EZB formiert sich rechtlicher Widerstand
Die Politik der EZB hat vor allem in Ländern, wo der Anteil der Sparer besonders hoch ist, viel Kritik hervorgerufen. Es geht unter anderem um den Vorwurf der verbotenen Staatsfinanzierung. In Deutschland haben daher mehrere Kläger eine Verfassungsbeschwerde eingebracht.
Zwar kauft die Zentralbank nicht direkt die von einem Staat aufgelegte Anleihe, die Wirkung bleibt jedoch die gleiche. Genau diesen Umstand und eine Reihe weiterer Kritikpunkte am Vorgehen der EZB hat der Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik, Dr. jur. Markus C. Kerber von der Technischen Universität Berlin und Gründer des Thinktanks Europolis, in seiner Verfassungsbeschwerde für renommierte Kläger wie den Emeritus für Bankwirtschaft, Prof. Johann Heinrich von Stein, und den Präsidenten der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, an das deutsche Bundesverfassungsgericht formuliert. Ihnen geht es vor allem um das jüngst in der Corona-Pandemie von der EZB aufgelegte PEPP-Programm (Pandemic Emergency Purchase Programme). Das ist ein befristetes Ankaufprogramm für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner in der Höhe von rund 1,85 Billionen Euro.
Vorwurf der Kompetenzüberschreitung
Neben einer möglichen illegitimen monetären Staatsfinanzierung, die laut Klageschrift dem Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zuwider läuft, wird auch eine Kompetenzüberschreitung des Eurosystems im Bereich der Wirtschaftspolitik moniert, die den Nationalstaaten vorbehalten sein sollte. “Die streitgegenständlichen Anleihenkäufe und Kollateralmaßnahmen der EZB können wegen der fiskalpolitischen Abhängigkeit der meisten EWU Mitgliedstaaten auf Dauer nicht zurückgeführt werden und werden in absehbarer Zukunft zum Anlass genommen, eine Annullierung staatlicher Schulden zu operationalisieren oder müssten zeitlich und quantitativ grenzenlos fortgeführt werden”, heißt es dazu in der Dokumentation der Verfassungsbeschwerde gegen das PEPP. (Edition EuroPolis)
Besonders Sparer betroffen
Zusammenfassend greift die Klageschrift wesentliche Kritikpunkte an der Europäischen Währungspolitik auf, die immer mehr von Befürwortern einer expansiven Geldpolitik getragen wird.
Als geldpolitisches Ziel hat sich die Europäische Zentralbank eine jährlichen Teuerung (Inflation) von 2 Prozent gesetzt. Diese Teuerung wird durch den harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessen. Liegt die Teuerung etwa bei 4 Prozent und die Zinsen bei 2 Prozent, muss man einen jährlichen Kaufkraftverlust von 2 Prozent hinnehmen. Lagen die Inflationsraten in der 70er Jahren teilweise im für heutige Verhältnisse ungewohnten niedrigen zweistelligen Bereich, waren die Teuerungsraten im vergangenen Jahrzehnt fast durchgehend deutlich unter dem angestrebten Ziel von 2 Prozent. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, hat die EZB begonnen, Kaufprogramme für (Staats-)anleihen aufzulegen.
Diese geldpolitischen Lockerungen führen dazu, dass sich Sparprodukte bei Banken, das sind vor allem täglich fällige Einlagen, Sparbücher und Bausparverträge sich nicht mehr adäquat verzinsen und Sparer, die sich nicht am Kapitalmarkt engagieren einen realen Verlust (nach Abzug der Inflationsrate) hinnehmen müssen.
Besonders für Sparer und Käufer von Lebensversicherungen, sowie der Mehrzahl an sonstigen privaten und betrieblichen Altersvorsorge-Produkten, dürfte der Ausgang der Klage also von großem Interesse sein.
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