Seit 31 Jahren misst das Ifo-Institut regelmäßig die Einschätzung der deutschen Industrie zur Wettbewerbsfähigkeit. Noch nie fiel das Urteil der Unternehmen so schlecht aus wie im Oktober 2025. Über ein Drittel der Betriebe (36,6 %) erklärte, im globalen Vergleich gegenüber Konkurrenten außerhalb der EU an Boden zu verlieren – ein massiver Anstieg gegenüber dem Sommer, als noch rund ein Viertel diesen Eindruck teilte.

„Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie befindet sich auf einem neuen Tiefpunkt“, fasst Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, zusammen. „Das zeigt, wie stark die strukturellen Probleme inzwischen durchschlagen.“ Auch innerhalb Europas sinkt das Vertrauen in die eigene Stärke: Der Anteil der Unternehmen, die sich im EU-Vergleich im Nachteil sehen, hat sich fast verdoppelt – von 12 % auf 21,5 %.

Energieintensive Branchen am Limit

Besonders dramatisch ist die Lage in Sektoren, die stark vom Energiepreis abhängen. In der Chemiebranche melden mehr als die Hälfte der Unternehmen einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, in der Elektrotechnik und Optik sind es 47 %, im Maschinenbau rund 40 %.

Diese Zahlen sind kein Zufall: Die Energiepreise in Deutschland zählen nach wie vor zu den höchsten weltweit. Der Wegfall günstiger russischer Gaslieferungen, die zusätzliche Belastung durch CO₂-Abgaben und der stetig steigende Bürokratieaufwand haben die Produktionskosten auf ein Niveau gehoben, dass nicht mehr länegr tragbar ist.

Die Folge: Investitionen werden verschoben, Produktionslinien ins Ausland verlagert, qualifiziertes Personal abgebaut. Wohlrabe warnt: „Die strukturellen Schwächen sind seit Jahren bekannt. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem sie die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig untergraben.“

Chemieindustrie: Vom Wachstumsmotor zur Problembranche

Kaum ein Sektor steht symbolischer für den Niedergang als die Chemieindustrie – einst ein Aushängeschild deutscher Innovationskraft. Laut Ifo-Geschäftsklimaindex befindet sich der Auftragsbestand auf dem niedrigsten Niveau seit über 30 Jahren. Das Barometer für das Geschäftsklima fiel im Oktober auf minus 19,4 Punkte, nachdem es im September noch bei minus 12,0 Punkten lag.

Die Ursachen sind vielfältig, die Botschaft jedoch auch hier eindeutig: Hohe Energiekosten, sinkende Verkaufspreise und eine schwache Nachfrage zwingen Unternehmen zum Schrumpfen.

Elektroindustrie trotzt dem Trend – dank Auslandsnachfrage

Inmitten der düsteren Gesamtlage sendet jedoch eine Branche vorsichtige Signale der Stabilisierung: die Elektro- und Digitalindustrie. Nach einer langen Durststrecke verzeichnet der Sektor wieder Zuwächse bei Aufträgen, Umsätzen und Produktion. Besonders der Export sorgt für Auftrieb:

Nach den ersten neun Monaten dieses Jahres stiegen die Aufträge um 4,2 % im Vergleich zum Vorjahr – getragen vor allem von einer kräftigen Nachfrage aus dem Euroraum (+8,1 %) und weiteren Auslandsmärkten (+11 %). Nur der Binnenmarkt bleibt schwach: Hier gingen die Bestellungen um 2,8 % zurück.

Der Aufschwung in der Elektrobranche passt zum zuletzt leicht verbesserten Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts – doch es bleibt ein Hoffnungsschimmer inmitten eines maroden Gesamtbildes.