Die Mehrheit der deutschen Unternehmen plant, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Ein Trend, der nicht nur die industrielle Basis aushöhlt, sondern die gesamte Volkswirtschaft ins Wanken bringen könnte.

Warum Betriebe Deutschland den Rücken kehren

Die jüngste Befragung deutscher Industriebetriebe zeichnet ein ernüchterndes Bild. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen – exakt 68 Prozent – denken ernsthaft darüber nach, ihre Produktionskapazitäten innerhalb der nächsten Jahre ins Ausland auszulagern. Der wichtigste Grund: Die eskalierenden Handelskonflikte und wachsender Protektionismus weltweit.

Strafzölle, Lieferkettenrisiken und politische Unsicherheit bringen insbesondere exportorientierte Firmen in Bedrängnis.

Bereits 19 Prozent der Betriebe produzieren überhaupt nicht mehr in Deutschland. Noch 2023 lag dieser Wert bei lediglich elf Prozent. Die Abwanderung hat drastisch an Tempo gewonnen – und betrifft mittlerweile nicht nur die Fertigung, sondern zunehmend auch Forschung und Entwicklung.

USA, Europa, Asien: Wohin die Industrie abwandert

Besonders begehrt sind derzeit Produktionsstandorte in den Vereinigten Staaten. 26 Prozent der befragten Firmen planen, Teile ihrer Fertigung über den Atlantik zu verlagern – ein deutlicher Sprung im Vergleich zu früheren Jahren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: niedrigere Energiepreise, steuerliche Vorteile, massive Subventionen und der klare industriepolitische Kurs Washingtons.

Gleichzeitig bleibt Europa ein zentraler Fluchtpunkt. 30 Prozent sehen Länder innerhalb der EU als neuen Standort.

Asien bleibt ebenfalls attraktiv: 16 Prozent zieht es nach China, 14 Prozent nach Indien, 19 Prozent in weitere asiatische Staaten. Viele Befragte nannten gleich mehrere Alternativen – ein Indiz dafür, wie ernsthaft die strategische Neuausrichtung bereits vorangetrieben wird.

BDI schlägt Alarm – und fordert schnelles Handeln

Für den BDI ist die Entwicklung ein deutliches Warnsignal. Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, bringt die Sorgen der Industrie klar auf den Punkt. „Geopolitische Verwerfungen sind längst zu stürmischen Gegenwinden für die deutsche Wirtschaft geworden.“

Sein Appell an die Bundesregierung ist unmissverständlich: Berlin müsse endlich entschlossener handeln, um den Standort wieder wettbewerbsfähig zu machen. Niedermark verlangt unter anderem eine „gezielte Anschubfinanzierung“, um Investitionen in Schlüsseltechnologien in Deutschland zu halten.

Der deutsche Arbeitsmarkt verliert Zehntausende Stellen

Parallel zur Verlagerung der Produktion ins Ausland verliert der Arbeitsmarkt massiv an Substanz.

Zwischen 2021 und 2023 verlagerten deutsche Unternehmen rund 71.000 Arbeitsplätze ins Ausland. Neu geschaffen wurden im selben Zeitraum lediglich 20.300 Stellen. Das ergibt einen Nettoverlust von 51.000 Arbeitsplätzen.

Besonders betroffen: die Warenproduktion – lange das Rückgrat der deutschen Industrie. Allein dort gingen rund 26.100 Jobs verloren, während nur 5.000 neu entstanden.