Experten loben zwar die Qualität der Ausbildung, sehen jedoch erhebliche Defizite bei den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Regulierungen als Innovationsbremse

Faruk Bajramovic, Direktor für Künstliche Intelligenz und Datenanalyse bei PwC Österreich, weist im Gespräch mit dem ORF auf ein zentrales Problem hin: „Nationale und EU-Regulierungen würden Gründungen erschweren.“ Trotz hervorragender Ausbildung fehle es an einem Umfeld, das es jungen KI-Firmen ermögliche, international konkurrenzfähig zu wachsen. „Das heißt, es macht es einem Gründer ziemlich schwer, ein gutes Unternehmen hochzuskalieren. Es gibt viele Wettbewerbsnachteile, die angegangen werden müssen“, so Bajramovic.

Damit werde es nicht nur schwieriger, neue Unternehmen im Land aufzubauen – auch bereits ausgebildete Fachkräfte sehen sich gezwungen, ihre Chancen im Ausland zu suchen.

Steigende Nachfrage nach KI-Experten

Die Wirtschaft beginne nun, den praktischen Nutzen von KI konsequent umzusetzen. „Die Unternehmen waren jetzt in der Selbstfindungsphase, aber sie kommen jetzt in die‚ Bringen wir es mal auf die Straße‘-Phase. Das bedeutet, sie werden deutlich mehr KI-Experten benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Bajramovic.

Branchen wie Banken, Logistik oder Gesundheitswesen hätten überall dringenden Bedarf. Durch die massiv gestiegene Rechenleistung eröffnen sich heute Einsatzmöglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch an den Kosten gescheitert wären.

Ausbildung auf hohem Niveau

Besonders positiv bewertet Bajramovic den universitären Bereich: „Hohe Qualität der Ausbildung in Österreich.“ Junge Absolventen seien motiviert und hätten das Potenzial, Innovationen voranzutreiben. Damit das gelingt, müsse man den Standort attraktiver machen. „Aber man muss ihnen eine Perspektive liefern. Das bedeutet, den Standort attraktiver zu machen“, mahnt der Experte.

Dass OpenAI und ChatGPT nicht in Europa entstanden sind, liege seiner Ansicht nach nicht am fehlenden Know-how, sondern an mangelnder Förderung. Wichtige Unterstützung könne etwa durch rechtliche Beratung und praxisnahe Rahmenbedingungen geleistet werden.

FH Hagenberg als Magnet für Bewerber

Wie groß das Interesse an KI-Lehrgängen ist, zeigt die Fachhochschule Hagenberg: Dort startete 2024 der englischsprachige Studiengang „Artificial Intelligence Solutions“. Für das zweite Jahr bewarben sich bereits rund 1.000 Interessenten aus mehr als 25 Nationen – bei lediglich 40 Studienplätzen. Auch die JKU Linz bietet inzwischen ein vergleichbares Programm.

Ulrich Bodenhofer, Leiter des Studiengangs, betont, dass ein „KI-Experte“ nicht automatisch alle Bereiche der Disziplin abdecke. Das Spektrum reiche von Forschung über Technik bis hin zu ethischen und rechtlichen Fragen. Ziel sei es, Absolventen so auszubilden, dass sie Projekte von der ersten Idee bis zur Umsetzung begleiten können.

Europas Rückstand gegenüber USA und China

Dennoch bleibt ein großes Problem: Rund 70 % aller großen KI-Modelle stammen aktuell aus den USA, China investiert massiv in Aufholprogramme. Europa versucht zwar gegenzuhalten, doch die Mittel sind begrenzt. „Das sind natürlich Kosten, die in Europa nicht so schnell über den Tisch gehen. Die Förderungen für Startups sind eher maximal im Hunderttausend-Euro-Bereich“, kritisiert Bodenhofer.

Sein Fazit: Ohne ein klares politisches Bekenntnis und weitreichendere Investitionen werde es schwer, mit den globalen Spitzenreitern Schritt zu halten. „Nur so könne Europa seinen Innovationsvorsprung sichern.“ Hinzu kommt, dass Innovationen in Europa häufig durch Regulierungen abgewürgt werden.