Internen Berichten zufolge plant die EU-Kommission in ihrer morgigen Sitzung das Freihandelsabkommen Mercosur mithilfe eines Verfahrenstricks, nämlich ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten, zu beschließen – trotz oder gerade wegen des massiven Widerstands aus Frankreich, Polen, Italien und Österreich. In Brüssel soll damit die finale Beschlussfassung nach Jahrzehnten der Verhandlungen eingeleitet werden.

Der NÖ Bauernbund zeigt sich äußerst besorgt. „Durch den Parlamentsbeschluss ist das österreichische Nein zu Mercosur fix. Im Gegensatz zur EU-Kommission nimmt unsere Bundesregierung die Sorgen und Bedenken der Bäuerinnen und Bauern ernst”, so NÖ Bauernbunddirektor Paul Nemecek.

Forderung nach gleichen Standards

Während andere Staaten wie Frankreich, Polen und Italien bereits in der Vergangenheit scharfe Kritik übten, legt auch der Bauernbund-EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber nach: „Billigimporte aus Südamerika gefährden unsere Versorgungssicherheit.“ Er betont, dass in den Mercosur-Staaten deutlich geringere Umwelt- und Qualitätsstandards gelten, was zu einem klaren Wettbewerbsnachteil für die heimische Landwirtschaft führt.

Deshalb hat Bernhuber gemeinsam mit dem NÖ Bauernbund bereits 2019 über 50.000 Unterschriften gegen Mercosur gesammelt und gleichzeitig konkrete Verbesserungsvorschläge für moderne Freihandelsabkommen gefordert. Gleiche Standards für Importe, wie sie beispielsweise beim aktuellen Abkommen mit der Ukraine fixiert wurden, waren dabei nur ein Punkt.

EU-Kommission entscheidet

Ob und was genau morgen in der Sitzung der EU-Kommission geschehen wird, ist auch Brüssel-Insidern zufolge ungewiss. Ein Splitting des Abkommens scheint jedoch realistisch. Damit könnte Brüssel das Veto der Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, umgehen. Die österreichische Bundesregierung ist jedoch weiterhin durch einen gültigen Parlamentsbeschluss zur Ablehnung des Abkommens verpflichtet. Dies bestätigt die Kritik der heimischen bäuerlichen Familienbetriebe, die das Abkommen, welches seit 1999 verhandelt wird entschlossen ablehnen.

Während in Österreich auf die Interessen der Bäuerinnen und Bauern Rücksicht genommen wird, fehlt dieser Respekt für die bäuerliche Arbeit auf Brüsseler Ebene völlig. Auch wenn bei Mercosur bald das letzte Wort gesprochen wird, bleiben die Bauern kämpferisch und setzen den nächsten Schritt in ihrer Standesvertretung. „Die Gründung des Europäischen Bauernbundes wird zukünftig für eine bessere Bündelung und Durchsetzung der bäuerlichen Interessen auf EU-Ebene, etwa beim neuen EU-Budget, sorgen“, so Bernhuber.

Das Mercosur-Abkommen

Seit 1999 verhandelt die EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, angeführt von Argentinien und Brasilien. In über 20 Jahren konnte das Abkommen noch nicht finalisiert werden. Die Verhandlungen sind von heftiger Kritik aus den Bereichen Konsumentenschutz, Menschenrechte, Umweltschutz und Landwirtschaft begleitet. Kritisiert werden insbesondere die Rodung des Regenwaldes für Rinderfarmen, der Anbau von Ackerfrüchten, die Arbeitsbedingungen in Südamerika sowie die niedrigeren Produktionsstandards. Während Befürworter darin einen Gewinn für die Industrie und die südamerikanische Entwicklung sehen, warnen Kritiker vor einer Gefährdung der bäuerlichen Existenzgrundlage und der hohen Qualitätsstandards in Europa.