Grundlage dafür sind Berechnungen, Recherchen und Interpretationen, die von GLOBAL 2000 im Auftrag der GRÜNEN erstellt wurden und die vom ORF nahezu unverändert als dramatische Enthüllung präsentiert wurden. Was fehlt, ist nicht die Empörung, sondern der Kontext: Die Studie ist politisch motiviert, sie operiert mit spezifischen Berechnungsmodellen, und sie lässt zentrale Unterschiede aus, die für eine sachliche Einschätzung entscheidend wären, so der Bauernbund exklusiv gegenüber exxpress.

Was wirklich auf den Feldern passiert

Die Darstellung eines massiven Pestizidanstiegs widerspricht den amtlich erhobenen Zahlen. Laut den offiziellen Daten der AGES, die jährlich veröffentlicht werden, ist der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln seit 2011 um rund 30 Prozent gesunken. Auch die Gesamtmenge der in Verkehr gebrachten Wirkstoffe ohne CO₂ ist zurückgegangen. Dabei handelt es sich laut Landwirtschaftskammer um minus 7,1 Prozent seit 2011 – ein Ergebnis des verantwortungsvollen Umgangs der Betriebe mit Pflanzenschutzmitteln.

Doch im ORF spiele das keine Rolle, meint der Bauernbund. Anstatt die Daten für die Zuschauer verständlich aufzubereiten und bei der gesetzlichen Interessenvertretung eine Zweitmeinung einzuholen, übernimmt man selektive Ausschnitte, die zu einer dramatischen Geschichte passen. Damit werden Landwirte nicht als professionell arbeitende Ernährungsversorger dargestellt, sondern als Risikofaktor für die Gesellschaft.

Der vergessene Unterschied zwischen Gefahr und Risiko

In der öffentlichen Debatte wird der Begriff „Gefahr“ häufig mit „Bedrohung“ gleichgesetzt. Dabei wird ausgeblendet, dass ein Wirkstoff erst durch seine Anwendung ein Risiko entfaltet. Landwirte arbeiten mit strengen Auflagen, Grenzwerten, Sicherheitsstandards und Kontrollen. Pflanzenschutzmittel werden in Europa nicht leichtfertig zugelassen, sondern durchlaufen langwierige Prüfungen, in denen sowohl akute als auch chronische Wirkungen bewertet werden. Die Landwirtschaftskammer betont, dass Österreichs Bauern Pflanzenschutz nur dann anwenden, wenn es erforderlich ist, und dass moderne Prognosemodelle eingesetzt werden, um den Einsatz so gering wie möglich zu halten.

Der ORF vermittelt jedoch das Bild, es handle sich um ein massives, unkontrolliertes Ausbringen hochgefährlicher Substanzen, das von den Betroffenen ignoriert werde. Das ist keine Information, das ist Emotionalisierung.

Politische Agenda statt journalistische Distanz

Die zentrale Frage lautet: Warum wird eine politisch beauftragte Studie unkritisch verbreitet, während vorhandene amtliche Daten ignoriert werden? Die Antwort scheint einfach: weil die Geschichte vom umweltschädlichen Bauern besser zur aktuellen politischen Konfliktlinie passt als die Realität einer streng regulierten europäischen Landwirtschaft. Wer so berichtet, aktiviert Empörung, nicht Verständnis. Und Empörung eignet sich hervorragend, um politische Maßnahmen zu legitimieren, die die heimische Produktion schwächen und Importe stärken.

Der niederösterreichische EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber warnt regelmäßig davor, dass eine solche Kommunikationsstrategie die Versorgungssicherheit gefährdet: „In Europa wird nach hohen Standards produziert, während Importware aus Drittländern oft unter deutlich geringeren Auflagen entsteht. Die Frage, die in der Debatte jedoch kaum gestellt wird, lautet: Was passiert, wenn wir jene Betriebe verlieren, die heute noch regionale Lebensmittel produzieren?“

Was auf dem Spiel steht

In Österreich wird nicht „giftige Ware“ produziert, sondern Lebensmittel, die unter strengen Umwelt-, Gesundheits- und Qualitätsstandards entstehen. Die eigentliche Bedrohung liegt nicht in dem, was Landwirte ausbringen, sondern in dem, was sie verlieren könnten: Planungssicherheit, gesellschaftliche Anerkennung, Wettbewerbsfähigkeit. Wenn öffentliche Medien das Vertrauen in die heimische Landwirtschaft untergraben, torpedieren sie ausgerechnet jene Strukturen, die Ernährungssicherheit erst möglich machen.