SAP und Siemens rechnen mit Brüssel ab: „EU-Regeln ersticken Innovation“
Zwei der mächtigsten Manager Europas schlagen Alarm: SAP-Chef Christian Klein und Siemens-Boss Roland Busch kritisieren die Brüsseler Regulierungsflut scharf. Europas Bürokratie bremst die Industrie – und gefährdet die Zukunft der KI, warnen sie.
Die EU investiert in große „AI-Gigafactories“ – doch SAP und Siemens kritisieren: Es fehlt nicht an Rechenzentren, sondern an innovationsfreundlichen Regeln.GETTYIMAGES/fhm/Evgeniy Shkolenko
Christian Klein und Roland Busch gehören zu Europas mächtigsten Konzernchefs – und sie schlagen Alarm. Der eine führt mit SAP den einzigen europäischen Software-Riesen, der mit den US-Giganten mithalten kann. Der andere machte Siemens zur „One Tech Company“ und investiert Milliarden in KI. Jetzt warnen sie gemeinsam: Brüssels Regulierungswut bremst Europas Zukunft.
Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fordert Klein: Europa brauche „Rahmenbedingungen, die Innovation fördern, nicht verhindern“ (Klein). Doch aktuell würden die EU-Vorgaben genau das Gegenteil bewirken.
„Der AI Act ist der Grund, warum wir hier nicht Vollgas geben können“
Besonders der europäische AI Act und der Data Act stehen in der Kritik. Siemens-Chef Roland Busch dazu: „Die europäische Gesetzgebung, zum Beispiel der europäische AI Act. Der ist der Grund, warum wir hier nicht Vollgas geben können. Teilweise widersprechen sich die Akte, teilweise überschneiden sie sich mit schon bestehenden Regulierungen.“ Und: „Bald müssen wir neben jedem Entwickler noch jemanden sitzen haben, der prüft, ob das überhaupt zulässig ist.“
„Unsere Rechtsabteilung haben wir jetzt schon verdoppelt“
SAP-Chef Klein pflichtet bei und beschreibt den Aufwand: „Unsere Rechtsabteilung haben wir jetzt schon verdoppelt. Wenn mein KI-Chef mit Kunden zusammensitzt, geht das nicht mehr ohne Anwälte, die sich durch den Wust an Regularien wühlen.“
In Silicon Valley sind Regulierung oder Sicherheit kein Thema
Busch berichtet von einem gänzlich anderen Umfeld in den USA, nach seiner Rückkehr aus dem Silicon Valley: „Ich war vier Wochen lang im Silicon Valley, um besser zu verstehen, was dort passiert. Ich habe dasselbe erlebt: Nicht in einem Meeting waren Regulierung oder Sicherheit ein Thema. Es ging nur darum, wie man die neue Technologie mit möglichst großer Geschwindigkeit ausrollen kann.“
„Der Data-Act ist toxisch“
Der Siemens-Boss bringt ein besonders drastisches Beispiel: „Der Data-Act würde uns dazu zwingen, unsere aufbereiteten Daten auch der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen. Als ob Coca-Cola sein Rezept öffentlich machen müsste. Der Data-Act ist toxisch für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle.“
Klein ergänzt: „Der Data Act droht die Einführung von Cloud und KI in der Wirtschaft zu behindern. Er ist aktuell ein Eigentor für Europa.“
Milliarden für leere Server-Hallen? Kritik an Europas KI-Gigafactories
Ein zentrales Projekt der EU-Strategie für „digitale Souveränität“ ist der Bau sogenannter „AI-Gigafactories“ – also riesiger Rechenzentren, die in Europa stehen und von europäischen Unternehmen betrieben werden sollen. Damit will man unabhängiger von den US-amerikanischen „Hyperscalern“ wie Amazon Web Services, Microsoft oder Google werden. Christian Klein und Roland Busch halten das für den falschen Fokus.
SAP-Chef Klein sagt klipp und klar: „Bislang ist noch kein KI-Kundenprojekt von uns an fehlender Rechenzentrumskapazität gescheitert.“ Es fehlt nicht an Servern oder Speicherplätzen – sondern an praxisnahen Bedingungen, um überhaupt KI-Projekte umzusetzen. Die Unternehmen könnten heute schon mehr KI einsetzen – wenn es nicht durch überbordende EU-Vorgaben erschwert würde.
Siemens-Chef Busch sieht das ähnlich: „Wenn wir wirklich fünf Gigafactories bauen – ich wüsste gar nicht, wie wir diese derzeit auslasten könnten.“ Kurz: Wofür braucht Europa so viele Rechenzentren, wenn es gar nicht genug Daten, Projekte oder Anwendungen gibt, um sie sinnvoll zu nutzen? Aus Sicht der beiden Top-Manager konzentriert sich die EU auf symbolträchtige Großprojekte – statt die grundlegenden Rahmenbedingungen für angewandte KI zu schaffen: einfache, innovationsfreundliche Regeln, Rechtssicherheit, Datenzugang für Unternehmen, Klarheit bei Zuständigkeiten.
„Angewandte KI ist der neue Maschinenbau“
Für Klein ist klar: „Wir benötigen Rahmenbedingungen, die Innovation fördern, statt sie zu hemmen. Schließlich betrifft es die gesamte europäische Industrie. Angewandte KI ist der neue Maschinenbau.“
Busch zieht ein bitteres Fazit: „17 Prozent der Kosten einer KI entfallen in der EU nur auf Dokumentationen. Wir werden damit nicht nur teurer, sondern noch langsamer.“
Er warnt: „Wenn wir unsere Wirtschaft wieder in den Wachstumsmodus bringen wollen, geht das nur über den Einsatz digitaler Technologien.“
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