Schuldenfalle Europa: Die EU droht an ihrer eigenen Finanzpolitik zu zerbrechen
Die Europäische Union steht finanziell unter enormem Druck. Während die
Mitgliedsstaaten mit schwacher Konjunktur und explodierenden Sozialausgaben kämpfen, drohen die Defizitverfahren der Kommission zur reinen Formalität zu verkommen.
Schuldenfalle Europa: Der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt verliert Bindungskraft.IMAGO/Eibner
Die ehrgeizigen Haushaltsziele, die einst Stabilität und Wachstum sichern sollten, wirken längst wie ein Relikt aus einer Zeit, in der Europa noch an seine wirtschaftliche Disziplin glaubte. Finanziell betrachtet, steht die Staatengemeinschaft am Abgrund.
Defizitverfahren als Dauerzustand
Nach den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts darf das Haushaltsdefizit eines Staates 3 % des Bruttoinlandsprodukts und die Gesamtverschuldung 60 % der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Diese Grenzen sollten eine „maßvolle Haushaltspolitik“ garantieren, die langfristig Wachstum ermöglicht. Doch die Realität ist ernüchternd: Kaum ein Mitgliedsstaat hält sich noch daran.
„Schuldenprobleme belasten nicht nur die Währungen in der EU, sondern über steigende Zinsen direkt auch die konjunkturelle Entwicklung“, heißt es aus Brüssel.
Frankreich und Italien im Visier der EU-Kommission
Besonders dramatisch ist die Lage in Frankreich. Die Regierung von Premierminister Sébastien Lecornu kämpft mit Rekordschulden und einem stagnierenden Reformprozess. Auch Italien, das seit Jahren auf wackeligen Beinen steht, hat die Defizitgrenzen erneut überschritten.
„Wer die Schuldengrenzen übertritt, riskiert ein Strafverfahren“, heißt es offiziell. Doch was früher als Sanktion gedacht war, wird heute kaum noch durchgesetzt. Gegen mehrere Länder laufen derzeit Defizitverfahren – auch gegen Österreich. Aufgrund eines Budgetdefizits von 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2024 und voraussichtlich 4,5 Prozent im Jahr 2025 hat die EU formell ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits eingeleitet.
Ein Pakt ohne Bindungskraft
Seit der Einführung des Stabilitäts- und Wachstumspakts im Jahr 1997 wurde die Schuldenbremse auf EU-Ebene dutzendfach verletzt. Besonders während der Corona-Pandemie und nach Beginn des Ukraine-Krieges wurden die Defizitregeln vollständig ausgesetzt. Was als Ausnahme gedacht war, hat sich zur neuen Normalität entwickelt.
Im vergangenen Jahr wurde der Pakt schließlich reformiert – angeblich, um den Staaten „mehr Flexibilität“ einzuräumen. In Wahrheit war es eine politische Kapitulation: Die EU passte die Regeln den Schulden an, statt umgekehrt.
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