Schon die Bundeskanzler Viktor Klima und Alfred Gusenbauer (beide SPÖ) beklagten in ihrer Amtszeit eine gewisse Handlungsunfähigkeit, die Österreichs Regierungspolitik maßgeblich von der anderer Länder unterscheidet. Anders als etwa der deutsche Bundeskanzler, hat sein heimisches Pendant keine Richtlinienkompetenz. Beim Nachbarn hat ein Olaf Scholz das letzte Wort, in Österreich ist es schwieriger für den Kanzler.

Laut Bundes-Verfassungsgesetz besteht in Österreich die Ministerverantwortlichkeit für deren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Der Kanzler ist nur “primus inter pares” – Erster unter Gleichen – und vom Rang her den Ministern gleichgeordnet. Er ist den Ressortchefs gegenüber nicht weisungsbefugt,. es besteht kein Überstellungs- oder Unterstellungsverhältnis. Genau genommen ist es deshalb auch nicht zutreffend oder zumindest höchst umstritten, den österreichischen Bundeskanzler als “Regierungschef” zu bezeichnen.

Verfassungsministerin sieht Gesetzesbruch

In Sachen EU-Renaturierungsgesetz blockiert dies Karl Nehammer. Er kann Leonore Gewessler nicht dazu anhalten, im Sinne der ÖVP und vieler Kritiker nicht für das Gesetz zu stimmen und sich weiter zu enthalten. Die Anhörung hierzu läuft aktuell in Luxemburg, ob am heutigen Montag tatsächlich abgestimmt wird, ist noch nicht sicher.

Die ÖVP sieht dennoch einen Verfassungs- und Gesetzesbruch durch Gewessler, wie es Verfassungsministerin Karoline Edtstadler formulierte – der eXXpress berichtete. Weil sowohl ein vorgeschriebenes Einvernehmen mit den betroffenen Ministerien (Landwirtschaft) als auch die Zustimmung der Bundesländer fehle, sei Gewesslers Zustimmung zum Gesetz auf EU-Ebene nicht gesetzeskonform. Das sehen wiederum die Grünen völlig anders.

Kanzler Nehammer hat inzwischen für den Fall der Zustimmung durch Gewessler die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angekündigt.