Der Afghanistan-Experte Reinhard Erös aus dem bayerischen Regensburg, der seit Jahrzehnten mit der von ihm gegründeten “Kinderhilfe Afghanistan” im Krisengebiet aktiv ist, hat jüngst Gespräche mit hochrangigen Taliban-Vertretern über die Abschiebung von 28 Kriminellen aus Deutschland geführt. Besonders im Fokus stand das “Handgeld” von 1000 Euro, das jeder Abgeschobene erhalten hat. In den afghanischen Medien ist dieses Thema allgegenwärtig. “Das ist wie die Mondlandung für die Menschen dort”, sagt Erös gegenüber der “Mittelbayerische Zeitung”.

Für Erös ist die Tatsache, dass diese Kriminellen mit einem Flug der Luxus-Airline Qatar Airways nach Afghanistan zurückgebracht wurden, schon bemerkenswert. Doch die eigentliche Sensation sei das mitgegebene Handgeld: “Dass sie dazu auch noch ein Handgeld in der Höhe eines Jahresgehalts mit in die Tasche bekommen, das ist die Sensation schlechthin”, so der Experte. Die Reaktionen der afghanischen Bevölkerung fallen entsprechend aus: “Die Afghanen lachen sich schief über die Deutschen.”

Erös: "Das Durchschnittseinkommen in Afghanistan beträgt 80 Euro im Monat"

Es kursieren zudem Gerüchte, dass nicht nur die Abgeschobenen das Handgeld erhalten haben, sondern auch die Taliban dafür bezahlt wurden, diese Männer zurückzunehmen. Erös ist überzeugt, dass die Taliban den Männern das Geld abgenommen haben: “Das Durchschnittseinkommen in Afghanistan beträgt 80 Euro im Monat. Da sind 28.000 Euro ein Vermögen.”

Aus Taliban-Kreisen habe Erös erfahren, dass es vor der Abschiebung Verhandlungen mit deutschen Vertretern gab, die jedoch in Katar stattfanden. Offiziell bestreitet die Bundesregierung, mit den Taliban zu verhandeln. Über den Verbleib der abgeschobenen Männer ist derzeit nichts bekannt, doch man vermutet, dass sie zu ihren Familien gebracht wurden. “Gut wird es ihnen dort nicht ergehen”, so Erös abschließend.

Der Afghanistan-Experte Dr. Reinhard ErösIMAGO/Thomas Lebie

Zur Person: Dr. Reinhard Erös stammt aus Bayern und ist Entwicklungshelfer sowie ehemaliger Oberstarzt der Bundeswehr. Gemeinsam mit seiner Frau leitet er seit 1998 die Organisation Kinderhilfe Afghanistan. Diese engagiert sich durch den Bau von Schulen, Waisenhäusern, Krankenstationen, Computerausbildungszentren und Berufsschulen für humanitäre Hilfe und Wiederaufbauprojekte. Seit 2002 hat Erös in über 3000 Vorträgen weltweit über die humanitäre und politische Lage in Afghanistan gesprochen.