Durch unsere Erdgasleitungen fließen viele Milliarden Kubikmeter Gas – und zwar nicht nur in die hierzulande weit verbreiteten Gasheizungen und Heißwasserthermen, auch die Fernwärme sowie die Stromproduktion und andere wichtige Industriebereiche werden zu einem erheblichen Anteil mit Erdgas befeuert.
Österreich bezieht seit vielen Jahrzehnten einen Großteil   – rund 80 Prozent – des benötigten Gases aus Russland. Die akutelle Situation und die Sanktionen rund um die Ukraine können unsere Versorgungssicherheit mit dem Energieträger erheblich schwächen. Deshalb wird jetzt auf Regierungsebene fieberhaft nach Alternativen zum russischen Gas gesucht. Als ein ‘vielversprechender’ Ersatz wird LNG Gas gehandelt. Bei diesem „Liquified Natural Gas“ handelt es sich um verflüssigtes Erdgas – es ist nicht identisch mit dem standardmäßig bezogenen Flüssiggas. LNG hat den großen Vorteil, dass sein Volumen durch den Verflüssigungsprozess erheblich reduziert wird: Während der Abkühlung auf -161 bis -164 °C schrumpft ein Kubikmeter auf rund 1,6 Liter volumen – somit haben 1.000 Liter verflüssigtes Erdgas  knapp in einer Mineralwasserflasche platz.

Das  dramatisch reduzierte Volumen erleichtert natürlich auch den Transport und die Lagerung. Während gasförmiges Erdgas nur in Pipelines wirtschaftlich transportierbar ist, kann flüssiges LNG auch in speziellen Tanks – die übrigens ähnlich wie doppelstahlwandige Thermo-Trinkbecher  funktionieren –  via Straße, Schiene oder Spezial-Tankschiff transportiert werden. Bei der Herstellung von LNG Erdgas werden unerwünschte Bestandteile wie  Schwefelverbindungen, schwerere Kohlenwasserstoffen, Stickstoff und Kohlendioxid zum Teil entfernt, wodurch das LNG zu einem ’sauberen‘ Kraftstoff mit hoher Leistungsfähigkeit wird. Tatsächlich wird LNG Gas bereits weltweit von vielen Industrien und auch als Kraftstoff für LKW und Busse verwendet.  

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Ist LNG also eine realistische Alternative zu herkömmlichem Erdgas? Nur sehr bedingt: Die Erzeugung und der Transport von LNG sind sehr energieaufwändig, was dem „grünen“ Label doch einen Kratzer verleiht. Darüber hinaus kann das fast vollständig aus Methan bestehende LNG bei unvollständiger Verbrennung in die Atmosphäre gelangen – wo es wegen seiner 25 mal höheren Treibhausgas-Wirkung deutlich klimaschädlicher wäre, als CO2.

Der derzeit wohl entscheidenste Faktor ist die Tatsache, dass unser Zugang zu LNG gegenwärtig sehr eingeschränkt ist: Weder Österreich, noch Deutschland verfügen über einen eigenen LNG Terminal, wo eine Re-Gasifizierung und Verteilung stattfinden könnte. Auch sind die von Österreich benötigten Mengen derzeit am Weltmarkt nicht erhältlich.
Anfang März reisten Energieministerin Gewessler, Rohstoffministerin Köstinger und Bundeskanzler Nehammer mit einer Delegation zu den Golfländern Vereinigte Arabische Emirate und Abu Dhabi, um entsprechende neue Liefer-Kooperationen für Energieträger wie Grünen Wasserstoff oder LNG zu lancieren. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde unterzeichnet.
Fakt ist allerdings, dass  aufgrund der fehlenden Infrastruktur so schnell weder LNG noch grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen nach Österreich  fließen werden. Somit wird LNG erst mittelfristig zu einer Diversifizierung der heimischen Gaslieferungen beitragen können. Dies gilt ebenso für den Ausbau erneuerbarer Energien, die zukünftig ebenfalls einen noch höheren Anteil am Energiemix aufweisen sollen. Allerdings wird aufgrund der volatilen Natur dieser erneuerbaren Energiequellen weiterhin ein komplementärer Bedarf an fossiler – gasbasierter – Energie bestehen bleiben.

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