“Die Mitte” ist derzeit das zentrale Element des schwarzen Wahlkampfs. Im ganzen Land wird sie plakatiert, und in keiner Rede eines schwarzen Politikers darf die Mitte fehlen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass dieser Ruck in die Mitte auch ein Ruck nach links bedeutet. Die ÖVP wendet sich von der FPÖ ab und nähert sich gleichzeitig der SPÖ an.

Spätestens am Samstag lieferte die ÖVP beim Wahlkampfauftakt den endgültigen Beweis, dass alles auf eine Koalition aus ÖVP und SPÖ mit Unterstützung der NEOS oder der Grünen hinauslaufen wird. Kickl wurde zum großen Gegner erklärt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ging in einer Videobotschaft sogar so weit, die FPÖ als “dunkle Macht” zu bezeichnen. Da hilft auch nicht mehr das Argument, dass man nur mit Kickl nicht will, aber mit anderen Teilen der FPÖ schon. Die FPÖ ohne Kickl ist bei der derzeitigen Stimmung einfach ein Wunschtraum und undenkbar.

Wie sehr sich ÖVP und SPÖ wieder angenähert haben, daraus machen Vertraute von Kanzler Nehammer und ÖVP-Kennern gar kein Geheimnis mehr. Schon seit einem Jahr sollen im Hintergrund die Gespräche laufen. Sogar über die Aufteilung der Ministerien soll schon gesprochen worden sein. Trifft dies zu, dann hat die große Koalition keineswegs am alten Machtdenken verloren. Unter starker Mithilfe des Wiener Rathauses sowie aktiver und ehemaliger Parteigranden aus St. Pölten soll demnach die Wiedervereinigung zwischen Schwarz und Rot am Koalitionstisch vorangetrieben werden.

Glaubt man allen veröffentlichten Umfragen, wird es jedoch nicht für eine Mehrheit reichen. Wohl oder übel wird man sich einen dritten Partner ins Boot holen müssen, wahrscheinlich die NEOS, und somit deutsche Wege à la Ampelkoalition gehen. Wie gut diese Ampel in Berlin funktioniert, erleben wir jeden Tag. Wir können uns also auch auf eine Neuauflage des Stillstands und Streits gefasst machen.

Dass es sich darüber hinaus auch noch um eine Koalition der Verlierer handeln wird, passt gut ins Bild und scheint die großkoalitionär denkenden Parteigranden von ÖVP und SPÖ wenig zu kümmern. Es wäre ja nicht das erste Mal. Es wird sich daher alles wiederholen: Eine Koalition an der FPÖ vorbei wird die Freiheitlichen noch mehr stärken. Einen möglichen Wahlsieger schon drei Wochen vor der Wahl dermaßen auszuschließen, ist kein Zeichen von demokratischem Verständnis bei ÖVP und SPÖ. Sie sollten dann aber auch mit den Folgen rechnen und die Konsequenzen tragen.