Kooperation der Wiener Alltagspoeten und des Traditionscafés Landtmann: Der Wiener Schmäh in süßer Form
Geht „Grantln“ auch in süßer Form? Ab jetzt, ja! Die Stimme der Stadt, die Wiener Alltagspoeten, bringen gemeinsam mit dem Traditionscafé Landtmann Torten mit Schmäh.
„Na, wie hats Ihnen geschmeckt? Danke, es woar grauslich.“ So eine „Poesie“ zu erleben, nach dem Genuss einer Alltagspoeten-Sacher-Torte wäre dann doch dem grantigsten Wiener zu viel des Mürrisch-Seins. Die humoristische Schmerzgrenze wäre dann wahrscheinlich überschritten. Obwohl die Stadt Wien von Dialogen wie diesen lebt und ja, sie sogar feiert. Manchmal ist der Wiener Schmäh derart schwarz und das Grantln in Höchstform, dass die Absurdität nicht zu übertreffen ist und dann wird es aber auch schon wieder lustig – ja, manche bezeichnen es sogar als ganz eigenen Charme.
Wiener Alltagspoesie gibt es ab jetzt als mundgerechte Happen zum Naschen. Andreas Rainer ist der Kopf hinter den Wiener Alltagspoeten und sammelt die skurrilsten und witzigsten Momente und Aussagen bereits seit 2017. In Kooperation mit der Konditorei Landtmann‘s Original Backstube bietet er jetzt drei Klassiker der Alltagspoesie als Motive auf feinen Sachertorten an. À la aus dem Mund der Wiener, in den Mund der Wiener. Eines der Schmankerl lautet: „S45. Frau am Telefon: Kopf sagt Sport. Bauch sagt Mehlspeise.“
Wiener Grant, Zynismus und die feine Klinge der Selbstironie.
Der freie Journalist Andreas Rainer begann vor drei Jahren seine Beobachtungen aus dem Wiener Alltagsleben aufzuschreiben und in den sozialen Medien zu posten. Heute bringt er mehr als 143.000 Instagram-Fans zum Schmunzeln und zum Nachdenken. Zwischen 10 und 15 Einsendungen bekommt er täglich – die Alltagspoeten sind die Stimme der Stadt und nicht seine Stimme. Diese Poesie ist weit mehr als ein Klischee, und wer weiß, vielleicht war der eine oder andere schon mal selbst Zeuge oder Produzent einer wienerischen Alltagspoesie. Gesagtes und Gehörtes können an Andreas Rainer in den sozialen Medien weitergeleitet werden. Dieser verpackt Szenarien und Anekdoten aus dem Wiener Soziotop in einem traditionellen Sujet – weißer Hintergrund, schwarze Schrift, Ortsangabe, Personenbeschreibung in einem Wort, Zitat. Kein Bild, nur Text. Ausnahmen bilden Zitate mit rassistischen Inhalten oder der Terroranschlag in Wien Anfang November. Damals färbte sich der Hintergrund sechs Postings lang in schwarz und die Schrift in weiß.
Der Hype um die Alltagspoeten
Die beliebtesten Zitate, gedruckt auf Leiberl, Kaffeehäferl oder Sackerl, ließen nicht lange auf sich warten. Auf diese Artikel gibt es seit Anbeginn einen Ansturm, wie auf warme Semmeln. Seit geraumer Zeit gibt es auch einen Podcast, produziert von Andreas Rainer. Gäste aus den unterschiedlichsten beruflichen Sparten und sozialen Schichten kommen hier zu Wort und präsentieren die Stadt Wien und deren Bewohner pointiert aus eigener Sicht. Im März 2021 kam das erste Buch, das gesammelte Zitate aus den besten Posts beinhaltet, welches sofort zum Bestseller wurde. Die erste Auflage war rasch vergriffen. So steckt hinter diesem Hype höchstwahrscheinlich, dass man sich mit dem Schmäh und dem dunklen Grant aus dem Wiener Alltag identifizieren kann. Hat man so eine Anekdote nicht schon einmal selbst ausgesprochen, dann hat man zumindest das Gefühl, solches schon gehört zu haben.
Thematisiert wird bei den Wiener Alltagspoeten alles – von lustigen oder traurigen Situation, bis hin zu Aussagen, für die ein Schamgefühl oder das Aufkommen von Wut, die Folge des Lesens ist. Auch Alltagsrassismus wird thematisiert. So musste auch bereits Andreas Rainer Empörung und Kritik der Wiener Bevölkerung einstecken, als er mit folgendem Zitat einen kleinen Shitstorm auslöste: „U1 Favoriten. Fahrer: Willkommen auf Ihrem Linienflug von der Türkei nach Wien.“
Damals äußerten sich die Wiener Alltagspoeten zu diesem Posting und warum es so wichtig ist, einfach alles aufzuzeigen: „Es geht bei dieser Seite um eine Abbildung von Wien als Ganzes. Manche finden es gut, wenn auf problematische Aussagen hingewiesen wird, manche wollen lieber nur Schmäh lesen – ich respektiere beide Ansichten.“
Der Wiener Bevölkerung kann man es grundsätzlich nicht recht machen, das wollen sie auch nicht und erwarten sie dennoch. Es gibt diese unglaubliche Liebe zu ihrer Stadt Wien. Die Wiener haben das auch – doch sie würden es natürlich nie zugeben.
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