Altar entweiht: Wenn die Kirche zur Kletterhalle umfunktioniert wird
Es ist ein Sinnbild des geistigen Verfalls im modernen Europa: Immer mehr Kirchen in Deutschland verlieren ihre ursprüngliche Bestimmung – sie werden verkauft, umfunktioniert, zweckentfremdet. Das „Haus Gottes“ wird zur Kletterhalle, zum Fitnessstudio, zum Konzertsaal oder gar zur Event-Location.
Immer mehr Kirchen in Deutschland werden verkauft oder umfunktioniert – das „Haus Gottes“ wird zur Kletterhalle, zum Fitnessstudio oder zur Event-Location.IMAGO/Funke Foto Services
Die Gründe sind bekannt. Sinkende Mitgliederzahlen, ausufernde Betriebskosten und der Verfall der kirchlichen Infrastruktur haben dazu geführt, dass immer mehr deutsche Kirchen ihre Immobilien veräußern. Auf Plattformen wie Kirchengrundstuecke.de, betrieben von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM), finden sich inzwischen Dutzende Einträge.
„Die Hälfte aller Kirchen brauchen wir als Kirche nicht mehr und dafür müssen wir andere Möglichkeiten finden“, sagt EKM-Baureferatsleiterin Elke Bergt nüchtern. Diese „anderen Möglichkeiten“ zeigen jedoch nicht nur, wie weit sich die Gesellschaft vom Glauben entfernt hat, sondern auch, wie gering das tatsächliche Interesse der evangelischen Kirche scheint, das Christentum zu bewahren und zu verteidigen. Bei der ersten Gelegenheit wird das Gotteshaus zum Verkauf freigegeben.
Heilige Orte zu Ramschpreisen
Doch auch in der katholischen Kirche zeigt sich die selbe Entwicklung. Die Gemeinde von Pfarrer Mario Lukes aus Eschwege bietet derzeit gleich drei Kirchen online an, zu Preisen zwischen 50.000 und 220.000 Euro.
„Wir als Priester möchten doch keine Kirchen schließen“, sagt Lukes. „Wir wollen eigentlich den Glauben zu den Menschen bringen.“ Doch zwischen maroder Bausubstanz, Denkmalschutz und leeren Kassen bleibt oft keine andere Wahl.
Einzelne Gemeinden versuchen, ihre Sakralbauten durch sogenannte „Simultankirchen“ zu retten – evangelische und katholische Gemeinden teilen sich dabei denselben Raum. Doch in vielen Fällen wird das Gotteshaus schlicht zum Geschäftsobjekt.
Vom Altar zur Kletterwand – die „Boulder Church“
Besonders erschreckend ist die Entwicklung in Bad Orb zwischen Frankfurt und Fulda. Dort, wo früher das Wort Gottes verkündet wurde, erklimmen heute Kinder und Erwachsene bunte Klettergriffe. Die ehemalige Kirche wurde zur sogenannten „Boulder Church“ umgebaut.
„Der Pfarrer war einer der Ersten an der Wand“, erzählt Inhaber Marc Ihl lachend, der gemeinsam mit einem Partner rund eine halbe Million Euro investierte. Während die benachbarte Kapelle weiter geweiht bleibt, ist der Hauptraum nun zum Sporttempel geworden.
Vom Glaubenshaus zum Veranstaltungszentrum
Auch anderswo wird das Gotteshaus entweiht. An der Mosel wurde eine Kirche in Bernkastel-Wehlen zu einem Ort für Familientreffen und Firmenevents umfunktioniert. „Ich möchte allen, die sich das vorstellen können, viel Mut machen“, sagt die neue Eigentümerin Anke Nuxoll-Oster. „Eine Kirche sei nun einmal ein besonderer Ort, von dem Besucher viel mitnehmen könnten.“
Ein Spiegel des Glaubensverfalls
Die Mitgliederzahlen brechen ein: von rund 57 Millionen Christen Anfang der 1990er-Jahre auf nur noch 39 Millionen heute. Experten rechnen damit, dass bis 2060 kaum mehr als 23 Millionen Menschen verbleiben werden.
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