Vor fast 20 Jahren übernahm Timna Brauer neben ihrer musikalischen Karriere die Leitung des Museums in der Villa Brauer. Heute ist es ein Familienunternehmen: Tochter Jasmin führt regelmäßig durch das Haus, Sohn Jonathan ist für die Bildregie zuständig.

Vielseitig wie der Vater: Timna Brauer im September 2022 bei der Präsentation der von ihr gestalteten Skulptur „Büste der Ohnmacht“ in Linz.APA/STADT LINZ

Im Krone-Interview spricht Brauer auch mehrmals über die enge Beziehung zu ihrem kürzlich verstorbenen Vater, den bekannten österreichischen Maler und Sänger Arik Brauer (1929 bis 2021). Im Jahr 1938 hatte die NS-Herrschaft seine bis dahin unbeschwerte Kindheit beendet, er überlebte als jüdischer Bub in Wien in einem Versteck.

Doch vor den Neonazis hatte er später keine Angst, berichtet seine Tochter. Sorgen bereitete ihm der Islamismus und die Asylpolitik.

„Die europäische Asylpolitik ist eine Katastrophe“

Arik Brauer hielt die Flüchtlingswelle für verheerend. Seine Worte waren: „Man soll natürlich stets das Herz am rechten Fleck haben und Flüchtlinge retten, wenn sie schon bei uns stranden. Aber die europäische Asylpolitik ist eine Katastrophe und wird uns noch auf den Kopf fallen. Und die ersten Opfer werden jüdische Menschen sein.“ Timna Brauer mit Blick auf den steigenden Antisemitismus: „Er hat es vorausgesehen.“ Sie kennt viele Juden in Österreich, die seit dem 7. Oktober angegriffen wurden, war aber selbst nicht betroffen.

8. Mai 2018: Handshake zwischen Festredner Arik Brauer und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Rahmen eines Festaktes zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus im Bundeskanzleramt.APA/BKA/ANDY WENZEL

Weit weniger Sorgen bereitete Arik Brauer der Rechtsextremismus. Timna Brauer: „Er meinte immer, dass die Rechtsradikalen ‚nicht mehr das sind, was sie einmal waren‘.“ Ebenso sagte er: „Die Neonazis ärgern mich, weil sie keine echten Nazis sind. Sie stehen nicht zu ihrem Antisemitismus, sonst würden sie nicht versuchen, den Holocaust zu relativieren. Die wirkliche Gefahr kommt heute von den Islamisten.“ Es gebe aber einen wichtigen Unterschied zur Zeit des Dritten Reichs: Jetzt existiert wieder Israel. Deshalb könne er „jedem eine Atombombe ins Gesicht schmeißen, der es wagt, mich anzugreifen.“

Einmal besuchte eine Burschenschaft das Museum von Arik Brauer: „Mein Vater hat sie persönlich empfangen und mit ihnen diskutiert. Er versuchte sie zu überzeugen, dass sie ein verklärtes Bild von dem ‚Völkischen Ideal‘ haben und dass diese Zeit vorbei sei.“

Timna, Talia und Ruth Brauer: Drei Töchter bei der Trauerfeier für ihren Vater am 16. Februar 2021 am Wiener Zentralfriedhof.APA/HERBERT PFARRHOFER

Hamas-Gräuel: „Es gibt keine Worte“

Angesprochen auf das Hamas-Massaker an knapp 1200 israelischen Frauen, Männern und Kindern sagt die Sängerin: „Es gibt keine Worte, die beschreiben können, welche Grausamkeiten die Hamas anderen Menschen angetan hat.“ Der barbarische Anschlag sei eine „Zäsur“: „Israel wird nie mehr das sein, was es einmal war und dasselbe gilt womöglich für alle Juden auf dieser Welt. Für mich mit Sicherheit.“

Sie sei „sehr froh, dass mein Vater das nicht mehr erlebt hat. Es hätte ihn zerbrochen, obwohl er schon 2015 meinte: ‚Es kommen sehr schwierige Zeiten auf uns zu.‘“

Arik Brauer war einer der Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Links: „Brot und Spiele“ (1997), und rechts „Fehdehandschuh-Friedehandschuh“ (1971-1981).APA/Historisches Museum

Funde in Gaza: „Mein Kampf“ neben antisemitischen Kinderspielen

Timna berichtet von ihrem Neffen, der im Krieg dient – „er will diesen Krieg nicht“ –, aber vom Alltag an der Front erzählt. „Er hat auch berichtet, dass man in den Häusern in Gaza immer wieder neben vielen antisemitischen Kinderspielen das Buch von Adolf Hitler ‚Mein Kampf‘ auf Arabisch findet.“ In Ägypten sei es „angeblich nach wie vor ein Bestseller“. Sogar ein Kleidergeschäft mit dem Namen „Hitler“ sei entdeckt worden.

Im Rahmen des Festaktes zum Gedenken an die Beendigung des Zweiten Weltkrieges spricht Arik Brauer (M.) mit dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (l., ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (r., FPÖ).APA/BKA/ANDY WENZEL

Muslimischer Judenhass damals und heute – die Perspektive der Mutter

Timnas Mutter stammte aus einer jüdisch-jemenitischen Familie, sprach Arabisch – und kannte die Angst vor muslimischem Antisemitismus. Schon in den 1920er-Jahren gab es in Palästina (Hebron, Sefad) wie auch im arabischen Raum Massaker an Juden, lange bevor der Staat Israel existierte. 1942, als der Afrikafeldzug der Deutschen bereits in Ägypten war, war die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Palästina und der Region geplant worden; der Mufti Amin al-Husseini war damals mit Hitler verbündet.

„Ich sehe das Leid auf beiden Seiten“ – Musik als Brücke

Trotz allem sucht sie Verbindungen: „Ich persönlich sehe das Leid auf beiden Seiten und es zerreißt mir das Herz.“ Musik bleibe eine Sprache, die verbindet. Timna tritt weiterhin in Friedensprojekten mit Juden und Muslimen auf – demnächst gemeinsam mit dem palästinensischen Musiker und Poeten Marwan Abado, am 8. Oktober im Wiener MUTH Theater.

Musik verbindet: Timna Brauer (r.) tritt gemeinsam mit Marwan Abado (l.), der die Oud, eine orientalische Kurzhalslaute, spielt, auf. Abado wurde als Sohn einer christlich-palästinensischen Familie in einem Flüchtlingslager im Libanon geboren.IAEA/Dean Calma

Früher hieß es: „Schleicht‘s euch nach Palästina!“

Der Antisemitismus nimmt eigentümliche Wendungen: In seiner Kindheit beschimpften Antisemiten Arik Brauer mit: „Juden raus, schleicht‘s euch nach Palästina!“

Timna Brauer berichtet: „Im damaligen Verständnis war es ein Konsens, dass die Juden von dort kamen und da man sie in Europa nicht haben wollte, sollten sie wieder gefälligst in ihr ehemaliges Land zurückkehren. Sogar nach dem Holocaust wollte kein Land die Überlebenden der KZs aufnehmen, und bis zur Gründung des Staates Israel harrten sie noch als ‚Displaced people‘ in den Flüchtlingslagern Europas aus.“
Und die heutigen Antisemiten? „Sie wünschen sich jetzt das Gegenteil und brüllen auf den Straßen: ‚Juden, raus aus Palästina!‘“