Am Mittwoch begannen die Bregenzer Festspiele. Traditionell wurde die Reihe vom Bundespräsidenten eröffnet, doch wer auf nette Worte zur Einstimmung auf den Kulturgenuss hoffte, wurde bitter enttäuscht. In einer düsteren Rede schwelgte Van der Bellen im ganzen Elend, das die Welt bereit hält und ruinierte so manchem Besucher den Opernabend.

Los ging es gleich einmal mit einer gründlichen Bestandsaufnahme der derzeitig allgegenwärtigen Bedrohung unserer liberalen Demokratie. So werden aktuell „die von uns hart erkämpften Menschenrechte in Frage gestellt”, das Erfolgsmodell Europa von vielen als dysfunktional angesehen und auch an der gemeinsamen Basis werde derzeit kräftig gerüttelt.

In diesem defätistischen Kontext ging es weiter, der „heißeste Sommer der Messgeschichte” wurde ebenso aus dem Hut gezaubert wie die „überschaubare Elite von Tech-Milliardären”. „So viele Krisen, man kommt ja gar nicht mehr nach mit dem Wegschauen”, versuchte Van der Bellen auch dem letzten Gast den unbeschwerten Kulturabend zu verderben.

„Wie können wir uns in all dem Chaos wieder aufrichten?"

Nachdem die Stimmung erfolgreich im Keller angekommen war, stellte der Bundespräsident philosophische Fragen, die garantiert niemand bei der Eröffnungsfeier der Bregenzer Festspiele hören wollte: „Und ich hier, in meiner Rolle als Bundespräsident, denke mir auch manchmal: Wie lässt sich in all diesem Chaos noch irgendein Prinzip finden, an dem wir alle gemeinsam uns wieder aufrichten können und das uns hilft, Zuversicht zu entwickeln und den Mut, die Dinge anzugehen?”

Wer nun allerdings gehofft hat, dass es nach all dem negativen Gerede aufwärts geht, wurde bitter enttäuscht: Van der Bellen, so richtig in Fahrt gekommen, skizzierte die Zukunft der Welt in unterschiedlichen Szenarien.

Weltuntergangsstimmung als mögliches Szenario

Im ersten Szenario machte der Präsident Mut, dass „alles nicht so schlimm wird”, die Kriege enden und ein goldenes Zeitalter beginnen könnte und schob gleich nach: „Nicht sehr wahrscheinlich.” Bei Möglichkeit Nummer zwei schöpfte Van der Bellen wieder aus dem Vollen: „Ein weiteres mögliches Szenario ist, dass alles schiefgeht, was schiefgehen kann, und wir auf eine Apokalypse zusteuern, die Welt in Flammen aufgeht und wir in einem phänomenalen Crash an die Wand fahren.”

Bevor endgültig Panik im noblen Festspielhaus ausbrach, beschwichtigte der Präsident umgehend: Nein, die Zukunft wird weder paradiesisch noch apokalyptisch, man dürfe die Hoffnung nicht verlieren und „die Dinge ruhig und entschlossen anpacken”. „Wir müssen der Ungewissheit mit innerer Klarheit und auch einer gewissen Entschlossenheit begegnen.” Wie das funktioniert? Mit einem „Mindset, das uns in die Zukunft führt.”

Europäisches Eisenbahnprojekt und EU-Rüstungsprojekt

Und das schaut so aus: Man müsse die Welt akzeptieren, wie sie sei, der Realität ins Auge sehen und dürfe nie aufhören zu lernen.

Auch einen Plan für Europas Zukunft gab der Bundespräsident als Denkanstoß mit, nämlich ein großes Eisenbahnprojekt. „Warum starten wir nicht ein Projekt wie Airbus, das ein wahres paneuropäisches Projekt ist und eine unglaubliche Erfolgsgeschichte? Warum nicht ein großes europäisches Eisenbahnprojekt, mit dem Ziel die europäischen Hauptstädte mit Hochgeschwindigkeitszügen zu verbinden? Warum nicht ein gemeinsames, europäisches Rüstungsprojekt”, fragte Van der Bellen tatkräftig in die erstaunte Runde und appellierte an die „guten Seiten des Menschseins”. „Zu diesen guten Seiten gehören mit Sicherheit Kunst und Kultur”, schaffte der Präsident tatsächlich die Kurve zur eigentlichen Veranstaltung und erklärte die Bregenzer Festspiele für eröffnet. Der Applaus war tosend.