Der deutsche Autor Necati Öziri säubert den "Ring der Nibelungen" von Sexismus und Rassismus
Auf den Theaterbühnen soll das Idealbild einer Gesellschaft präsentiert werden, findet Necati Öziri. Die Klassiker leisten das aber nicht: zu viel Sexismus und Rassismus. Also schreibt sie Öziri um. Die Wiener Festwochen zeigen nun seine Version von Richard Wagners Nibelungen-Ring.
Necati Öziri (33) will „deutsche, männliche Klassiker“ korrigieren, wie er unterstreicht. Sie müssen von rassistischen und sexistischen Stereotypen befreit werden. Andernfalls dürfte das Theater nicht zu jenem Ort werden, für den es nach Ansicht Öziris bestimmt ist: „Wenn Rassismus, Klassismus oder Sexismus Systeme sind, die einen Raum ordnen, dann müssen Theater, Opern und Kulturinstitutionen Räume werden, die anders geordnet sind. Es müssen kleine Fenster werden, durch die wir in eine mögliche Welt blicken, es müssen kleine Modellstädte der offenen Gesellschaft werden“.
Ein Kontrast zu Wagners Heroen-Kult
Dem Idealbild einer offenen Gesellschaft entspricht auch nicht Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Deshalb knöpft ihn sich Öziri nun vor. Was dabei herauskommen wird, kann man ab 1. Juni bei den „Wiener Festwochen“ sehen (Halle E im Museumsquartier). Öziris Version verkürzt den voluminösen Opernstoff auf vier Stunden. Dabei arbeitet er die „werkimmanenten Unterdrückungsverhältnisse heraus“, die er darin erkennen will, und „kontrastiert den Heroismus mit intimen, aber kraftvollen Gegenerzählungen“, wie im Programm der Wiener Festwochen steht.
Welche Änderungen es denn sind, mit denen Öziri in Wien aufwartet, verraten er und die Festwochen noch nicht. Fraglos könnten die Walküren als durchaus kräftige Frauen aufgewertet werden, und am Ende Siegfried vielleicht ganz ersetzen, dessen Schwert sich unschwer als Phallus-Symbol entlarven lässt? Auch das Germanische schwingt bei einigen Namen allzu sehr durch, man denke nur an Woglinde, Wellgunde, Wotan, Mime, Siegmund, Sieglinde und Brünnhilde. Man sieht schon: Änderungsbedarf besteht zuhauf.
Gegen die Leitkultur „mit all ihren Ungerechtigkeiten“
Eigentlich ist Necati Öziri ein deutscher Werk-Kanon ohnehin zuwider, wie er dem Standard erzählt. Denn der Kanon beflügle ohnehin nur „eine bestimmte Vorstellung von Leitkultur, mit all ihren Ausschlüssen und Ungerechtigkeiten“. Und: „Der Kanon will festlegen, was als ‚Hochkultur‘ gilt und was nicht, der Kanon will bestimmen, welches Wissen man mitbringen muss, um Theater genießen zu können.”
Über seine eigene Arbeitsweise sagt er: „Ich versuche die gleiche Geschichte zu erzählen, d.h. mit denselben Figuren, in derselben historischen Konstellation und dann schaue ich, welche ‚Operationen‘ muss ich vornehmen, damit ich diese Narration antirassistisch und antisexistisch erzählen kann? Das interessante an diesem Prozess ist für mich, dass ich durch diese Methode die unterdrückenden Tools genau lokalisieren und bearbeiten muss.“
Acht Popmusiker anstelle eines Opernorchesters
Auch die musikalische Darbietung des „Ring“ wird sich von Wagner Opern-Quartett merklich unterscheiden. Im Programm steht: „Als Musikdirektoren besetzen Black Cracker und Jonas Holle ihr Ring-Orchester mit acht zeitgenössischen Popmusiker:innen und arrangieren deren Gegenkompositionen zum außergewöhnlichen Soundtrack einer vielstimmigen Inszenierung.“
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