Während die Kirchen in Österreich und Deutschland immer leerer werden, verzeichnen andere westlichen Staaten einen regelrechten Tauf-Boom. Im säkularen Frankreich etwa ließen sich zu Ostern dieses Jahres eine Rekordzahl an Erwachsenen und Jugendlichen taufen – genau: fast 18.000. Das ist die höchste Nummer seit Beginn der Aufzeichnungen durch die französische Bischofskonferenz vor 20 Jahren. 10.384 über 18-Jährige wurden getauft. Das sind 46 % mehr als im Vorjahr und fast doppelt so viele wie im Jahr 2023. Die Zahl der getauften Jugendlichen war mit 7.404 mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2023 und zehnmal so hoch wie 2019, berichtet das britische Magazin The Economist.

Großbritannien: Mehr Männer als Frauen in Kirche

Besonders die Generation Z, also die zwischen 1997 und 2012 Geborenen, scheinen das Christentum neu zu entdecken: In Großbritannien bezeichnen sich mittlerweile 16 Prozent der 18- bis 24-Jährigen als „Christ“ und sagen, dass sie mindestens einmal im Monat in die Kirche gehen. Im Jahr 2018 waren es nur vier Prozent. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es immerhin 13 Prozent (vier Prozent im Jahr 2018). Zu diesen Ergebnissen kommt die repräsentative, britische Studie „The Quiet Revival“, die von der „Bible Society“ in Auftrag gegeben und von dem Meinungsforschungsinstitut YouGov durchgeführt wurde.

Das größte Wachstum in Großbritannien verzeichnet die katholische Kirche und die freikirchliche charismatische Bewegung. Insgesamt besuchen 2024 an die zwei Millionen mehr Menschen Gottesdienste als noch 2018. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Männer (13 Prozent) eher zur Kirche gehen als Frauen (10 Prozent). Das ist besonders spannend, da sich in Kirchen normalerweise mehr Frauen tummeln als Männer. Auch der Verkauf von Bibeln hat im Vereinten Königreich einen neuen Höhepunkt erreicht – besonders unter der Generation Z sei die Nachfrage sehr hoch, laut einem Artikel der britischen Tageszeitung The Times.

In Großbritannien hat der Verkauf von Bibeln einen neuen Höhepunkt erreicht.GETTYIMAGES/LifestyleVisuals

Zahl der Christen seit 2020 nicht mehr am abnehmen

Es scheint, als gehörten die Zeiten, in denen Atheismus auf dem Vormarsch war, der Vergangenheit an. Religion wird wieder „in“. In ausländischen Medien, in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den USA, wird viel über dieses Phänomen geschrieben – in Österreich dagegen kaum. The Economist titelte kürzlich „The West has stopped losing its religion”. Für den Artikel wurden Umfragen und Studien zum christlichen Glauben in der Bevölkerung westlicher Staaten analysiert. Das Ergebnis: In unter anderem Spanien, Portugal, Italien und Finnland gibt es 2025 nicht weniger Christen als 2019. In Österreich oder Irland nimmt die Zahl der Christen weiterhin ab, allerdings langsamer als früher.

Das renommierte Meinungsforschungsinstitut Gallup kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Zahlen der Christen in den USA seit 2020 nicht sonderlich verändert hatten. Das ist neu, denn in den zwei Jahrzehnten davor ist vor allem der Anteil der Protestanten und Katholiken zurückgegangen, der Prozentsatz der Amerikaner ohne religiöses Bekenntnis hingegen stark gestiegen.

In Österreich: Meiste Erwachsenentaufen in Wien

Auch in Österreich gibt es einen Anstieg an Erwachsenentaufen – wenn auch nicht in einem solchen Ausmaß wie in den erwähnten Staaten. Daniel Vychytil, der bei der Bischofskonferenz für Erwachsenentaufen zuständig ist, spricht gegenüber der Kathpress von einem „klaren Trend, insbesondere bei der Taufe von Jugendlichen“. Landesweit ließen sich in der Osternacht 2025 240 Personen taufen. Die meisten Taufen gab es in der Erzdiözese Wien. Hier wurden 118 Erwachsene getauft. Das sind 50 mehr als 2024. Als Erwachsene, die sich taufen lassen, gelten Personen ab 14 Jahre. 2025 hatte jeder Dritte Wiener Täufling aus dieser Gruppe das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Fast die Hälfte der Täuflinge aus der Hauptstadt kommt aus Österreich, die zweitstärkste Gruppe sind Iraner, der Rest stammt aus 20 weiteren Herkunftsstaaten. Früher waren Jugendliche, die sich taufen ließen, eine Ausnahme. Dass es jetzt mehr werden, führt Vychytil auf einen größer gewordenen „Pool von Ungetauften“ in der Gesellschaft zurück. „Viele kommen aus Familien, in denen der Glaube kein Thema war, etwa weil die Eltern aus der Kirche ausgetreten sind oder keine Taufe für ihr Kind wollten. Dennoch sagen viele jugendliche Taufbewerber, sie hätten sich immer schon religiös gefühlt.”

„Ich habe es mit Alkohol und Sex versucht… nichts davon funktioniert“

Auslöser für die Entscheidung, sich taufen zu lassen, und damit in die katholische Kirche einzutreten, seien zum Beispiel ein Schicksalsschlag, eine Begegnung, eine Diskussion im Religionsunterricht, Glaubenszeugnisse in den Sozialen Medien, der Kontakt mit kirchlichen Jugendgruppen oder sogar mit gläubigen Muslimen.

In dem The Economist-Artikel kommt ein Student zu Wort, der sich kürzlich taufen ließ: „Ich habe es mit Alkohol versucht, ich habe es mit Partys versucht, ich habe es mit Sex versucht… nichts davon funktioniert“. Eric Curry meint: „Die jungen Leute suchen uns suchen tief nach der Wahrheit“. Seine Taufe sei die beste Entscheidung seines Lebens gewesen.

Ein Treiber: Corona-Pandemie

Viele Beobachter sind sich einig, dass die Corona-Pandemie und die damit Einzug gehaltene Einsamkeit Auslöser für den neuen religiösen Trend war. So beschreibt es auch die 20-jährige Sarah: „Ich denke, über 75 % meiner Freunde, die jetzt Christen sind, sind es seit der Pandemie“. Sie selbst stammt nicht aus einem religiösen Elternhaus. Während der Lockdowns schließ sie sich einer christlichen „Bible-study“-Zoom-Gruppe an – und ließ sich taufen.

Atheistische Intellektuelle finden zum christlichen Glauben

Ein weiterer Hinweis darauf, dass der „Atheismus-Trend“ vorbei ist, zeigt sich in der Tatsache, dass sich viele Intellektuelle dem Christentum zuwenden. Ein prominentes Beispiel ist der ehemalige Atheist und Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der in seinem 2006 erschienenen Bestseller „Der Gottewahn“ behauptete, der Glaube an Gott sei irrational und sich wünschte, dass das Christentum ausstirbt.

Im April 2024 stieß er jedoch in einer Radiosendung ganz andere Töne an: „Ich bin im Team Christentum!“ gab Dawkins von sich. Er bezeichnet sich nun als „kulturell christlichen Menschen“. Zu diesem Umdenken könnte der erstarkende Islam in Großbritannien geführt haben. Der 84-Jährige äußerte sich mehrmals sehr kritisch zu den 6.000 gemeldeten Moscheen im Vereinten Königreich oder zum Ramadan, der, so der Evolutionsbiologe, immer mehr unterstützt werde.

Der „König" der intellektuellen Atheisten, Richard Dawkins, sagte 2024: „Im bin im Team Christentum!". Das Foto ist von 2014.GETTYIMAGES/Don Arnold

Die aus Somalia stammende Politikwissenschaftlerin, Frauenrechtlerin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali bekannte im November 2023, dass sie Christin geworden sei. Die ehemalige Muslimin war lange Zeit eine prominente atheistische Stimme. In einem Essay erklärte sie, sie habe im Christentum Antworten auf die gesellschaftlichen und moralischen Herausforderungen unserer Zeit gefunden.

Der kanadische Psychologe und mediale Reizfigur Jordan Peterson bezeichnet sich nicht als praktizierender Christ, verteidigt aber den Glauben als wichtig für die westliche Kultur und die menschliche Psyche. Seine Frau Tammy konvertierte kürzlich in die katholische Kirche.

Der kanadische Psychologe und Bestsellerautor Jordan Peterson, dessen Vorträge auf YouTube von Millionen angesehen werden.IMAGO/IMAGO / Parsons Media

Die wachsende Zahl an Erwachsen- und Jugendtaufen kann natürlich nicht mithalten mit den steigenden Kirchenaustritten. Allein 2023 traten in Österreich 85.163 Personen aus der katholischen Kirche aus. Das sind etwas weniger als 2022 (90.975 Personen). Auch die Zahl der Taufen ist seit Jahren rückläufig. In Frankreich oder England gibt es keine offiziellen Zahlen, da es keine formellen Kirchenaustritte gibt wie in Ländern mit Kirchensteuer. Doch Erhebungen rund um die Häufigkeit des Kirchenbesuchs oder die Identifikation mit einer Kirche zeigen auch hier, dass die Anbindung an eine Kirche in der Bevölkerung sinkt. Trotzdem macht der derzeitige Mikro-Trend der Erwachsenentaufen Hoffnung: Eine Kehrtwende hin zum Glauben ist nicht ausgeschlossen.