Nicht aber die kulturelle und gesellschaftspolitische Schicksalsfrage der Zuwanderung oder der drohende Wohlstandsverlust aufgrund erwiesener Nullkompetenz in wirtschaftspolitischen Fragen treibt jene um, die den Abgesang auf unsere Demokratie anstimmen. Ihre Sorge basiert einzig und allein auf der Möglichkeit, dass sich die gescheiterte Politik der letzten Jahre in einem Wahlsieg für eine Partei niederschlägt, gegen die sich Initiativen gründen und Brandmauern aufgezogen werden.

Für nichts, aber gegen Rechts

In jedem Wahlkampf taucht sie verlässlich auf wie die heulende Feuerwehrsirene am Land, wenn die Uhr Samstagmittag schlägt: die “überparteiliche Initiative”, die zumeist aus den Städten kommt. Sie stellt sich zwar keiner Wahl, aber basiert auf bebilderten Onlinepetitionen mit Schauspielernamen, denen zumindest im vorbeifahrenden Wahlzirkus eine Bühne sicher ist. Sie steht für nichts, aber geschlossen gegen Rechts. Ihre Vorurteile gründen auf medial-kolportierten Zuschreibungen frei interpretierter Aussagen, die mindestens so lange zurückliegen, wie ihr letzter großer Bühnenerfolg. Bei der “Initiative gegen Rechts”, den “Artists against Racism”, “Schauspieler gegen Hass” oder ähnlichen ideologischen Benefizkonzerten ohne Instrumente fragt man sich, welcher Schlag von Künstler es ist, der sich derart in die politische Auslage drängt.

Meist gehaben sie sich zu elitär, um der breiten Öffentlichkeit bekannt zu sein, für die Klatschpresse sind sie aber dann doch zu wenig boulevardesk. Auf die Wahlkampfbühne steigen sie, aber Eitelkeit und Bequemlichkeit verbieten es ihnen, sich dem öffentlichen Austausch von Argumenten zu stellen. Dafür müssten sie nämlich sattelfest in einer eigenen Ideologie sein, gedankliche Kompromisse schließen und dabei womöglich erfahren, dass sie vielleicht doch so manches kritischer sehen, als ihnen lieb ist. Weiter gehen sie nicht, denn im Glauben, ihre Stimme sei mehr wert als jene der hunderttausenden Wähler, deren Bühne der alltägliche Lebenskampf ist, werden sie vor allem eines: sie werden scheitern.

Die Brandmauer wird es richten

Aber zum Glück ist da ja noch die berühmte “Brandmauer”, die uns spätestens nach den AfD-Erfolgen in Thüringen und Sachsen ein Begriff ist. In Österreich formuliert man da schon etwas eleganter, um im Wiener Kaffeehaus bei Melange und Sachertorte übereinzustimmen, dass die „Vranitzky-Doktrin“ nie so wichtig war, wie heute. Beides beschreibt den Ausschluss demokratisch legitimierter Parteien aus Regierungen. In Österreich hat sie dazu geführt, dass sich eine Partei, egal wie sehr sie vom Wähler abgestraft wurde, immer und immer wieder in einer Bundesregierung wiedergefunden hat. Aufgrund der Angst der Sozialdemokraten davor, nicht an sich selbst, sondern an jemand anderem zu scheitern. Nein, man muss nicht ständig dazu bereit sein, sich neu zu erfinden oder an seinen Ideen zu arbeiten, sich dabei selbst oder sein Werteempfinden immer wieder einem kritischen Blick zu unterziehen. Ein Minimum an Selbstreflexion sollte in Parteien allerdings doch noch vorhanden sein. In Hinblick auf die vergangenen Wahlen, die Entwicklung in Europa und auf den 29. September gibt es vielleicht eine weitere Garantie des Scheiterns, die sich so mancher am Wahlabend und darüber hinaus zu Herzen nehmen sollte: Eine Koalition aus Gescheiterten führt immer nur in eine Politik des Scheiterns.