Nach dieser ORF-Sendung fragen sich einige, wie ernst man Faktenchecks noch nehmen kann. Fest steht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat journalistischen Faktenchecks, die Fake News widerlegen sollen, einen Bärendienst erwiesen. Auch am Küniglberg hat man das offenbar eingesehen. Still und heimlich wurde der Faktencheck von „ORF III Aktuell“ in der TVthek entfernt. Wissenschaftler greifen sich auf den Kopf, was da der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zusammenarbeit mit dem Nachrichtenmagazin „profil“ am Montag verbreitet hat. Die FPÖ ist empört.

Donnerwolken über dem ORF: Dieser Faktencheck ging schief.

Nehammer soll Fake News verbreitet haben, als er von zwei biologischen Geschlechtern sprach

Seit Herbst 2022 präsentiert der ORF Woche für Woche die Faktenchecks von „profil“. „Immer montags stellen Redakteure live aktuelle Fake News richtig“, hält das Magazin fest. „In Zeiten von massiver Desinformation eine logische Zusammenarbeit.“ Diesmal knöpften sich die Redakteure eine angebliche Fehlinformation von Karl Nehammer (ÖVP) vor. Sie lautete: „Es gibt biologisch gesehen nur zwei Geschlechter – nämlich Mann und Frau.“ Doch lag der Bundeskanzler mit dieser Aussage tatsächlich falsch? Nach Ansicht einer profil-Redakteurin ja.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP, Bild) wiederholte nur, was Stand der Wissenschaft ist, sagen Biologen.APA/EVA MANHART

Im „profil“ werden Nehammers Ausführungen als „Kanzler-Märchen von Mann und Frau“ bezeichnet: „Karl Nehammer behauptet, es gebe nur zwei Geschlechter. Die Biologie beweist das Gegenteil.“ Das Gegenteil? In der Biologie sei man sich uneinig, wie viele Geschlechter es gibt, behauptet die „profil“-Redakteurin im ORF-Interview: „Man kann es nicht genau sagen.“ Biologische Frauen hätten zwei X-Chromosome, biologische Männer ein X- und ein Y-Chromosom im Zellkern. „Das ist allerdings die Regel. Es gibt sehr viele Ausnahmen“. Somit könne man nicht sagen, „dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt“. Fazit: „Deshalb liegt Karl Nehammer falsch.“

Profil widerspricht Nehammer – doch die Biologie widerspricht Profil.

Bumm! Biologen konnten kaum glauben, was sie da hören.

Was sollen die übrigen Geschlechter neben Mann und Frau sein? Äußerst seltene Mutationen wie XXY oder XYY sind keine eigenen Geschlechter.

Laut Biologie nur zwei Geschlechter – Einzelfälle ändern daran nichts

Der Shitstorm auf X ist seither enorm. Prof. Martin Fieder vom Department für evolutionäre Anthropologie an der Uni Wien schüttelte den Kopf: „Halte das kaum mehr aus diesen Unsinn – natürlich gibt es Menschen, die sich weder männlich noch weiblich zuordnen können. Nur dies begründet keine weiteren Geschlechter! Nach der Logik müsste jeder von uns sein eigenes Geschlecht sein.“ Fazit: „Geschlecht gehört zu den wenigen Aspekten der Biologie, die tatsächlich binär sind.“ Letzteres ist ein Zitat des Evolutionsbiologen Richard Dawkins.

Auch von anderen Nutzern kommen Einwände: „Der Logik dieses Artikels folgend, wäre die Aussage ‚Menschen haben 5 Finger‘ falsch, da manche mit 6 Fingern geboren werden. Zur Volksverblödung brauchen wir keine Desinformation im Netz“.

Gleiches unterstreicht eine weitere X-Userin: „Nur weil es Menschen mit Störungen in der geschlechtlichen Entwicklung gibt, bedeutet das nicht, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Menschen mit intersex Konditionen machen 0,01% der Bevölkerung aus und die überwiegende Mehrheit dieser lässt sich sehr wohl eindeutig einem Geschlecht zuordnen.“

FPÖ-Hafenecker: „Für den ORF sind bereits biologisch unbestreitbare Fakten rechte Fake News“

Auch FPÖ-Mediensprecher und Generalsekretär Christian Hafenecker hat sich eingeschaltet. „Der ORF lässt erneut Pseudoexperten zu Wort kommen und ihre kruden Theorien und Fantasien verbreiten“, kommentierte der Nationalratsabgeordnete. Es sei bezeichnend, dass man in Widerspruch zur Evolutionsbiologie „derlei Aussagen und Pseudowissenschaften eine Bühne bietet – und das ausgerechnet im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“

Hafenecker empört über pseudowissenschaftliche Ausführungen im Namen der Wissenschaft.APA/MAX SLOVENCIK

Angesichts solcher „pseudowissenschaftlicher Faktenchecks“ sei es „umso mehr abzulehnen, mit der rechtlichen Zensurkeule gegen angebliche ‚Fake News‘ und ‚Hass-Sprache‘ vorzugehen, da für Linke und den ORF bereits biologisch unbestreitbare Fakten wie die Existenz von Mann und Frau als solche gelten würden.“