Der wohlmeinende Staatspräsident Nicușor Dan (55) hat in seinen ersten 100 Tagen vor allem eines gezeigt: Starr lächelnd möchte er vieles verkörpern, nur kaum das, was die Verfassung ihm abverlangt. Welche Überzeugungen er tatsächlich vertritt, bleibt hinter einer Fassade eher verborgen; sein wahres Sein verschwimmt oft, auch mit patriotischen Zügen (!), im Schein. Ob dies Zufall oder Kalkül ist, lässt sich heute nur schwer sagen. Gerade aber seine staatstragende Rolle als Vermittler wäre in Rumänien entscheidend, um das fragile Gleichgewicht der Gewaltenteilung zu sichern und den Bruch zwischen Staat und Volk zu verhindern.

Schon Ion Luca Caragiale (1852–1912), der große Satiriker, hielt der rumänischen Politik einen bitter-ironischen Spiegel vor. In seinem Stück “O scrisoare pierdută” („Ein verlorener Brief“) lässt er den biederen Farfuridi über „Prinzipien“ räsonieren: „Entweder soll revidiert werden, einverstanden! Aber es darf sich nichts ändern; oder es soll nicht revidiert werden, auch einverstanden! Aber dann soll sich hier und da etwas ändern – und zwar gerade an den wesentlichen Punkten.“ Ein Satz für die Ewigkeit.

Austerität – koste es, was es wolle!

Die ersten hundert Tage unter Präsident Nicușor Dan könnten glatt als Fortsetzung gelten. Im Mai 2025 war sein Wahlsieg mit proeuropäischer Rhetorik, gleich danach kam aber das altbekannte Bild wieder im Vordergrund: Korruptionsfälle im eigenen Lager, massive Sparprogramme, die kaum jemand versteht, weil keiner sie ordentlich erklären will oder kann, und eine Bevölkerung, die somit fassungslos zusieht, wie schnell Aufbruchsstimmung in Frust kippt. Und Nicușor Dan quittiert wortkarg die Schwächen der Links-Rechts-Regierung unter Ilie Bolojan.

Die soziale Dekadenz der in Bukarest per Edikt über Nacht verordneten Abmagerungskur des fetten Staates frisst sich durch den Alltag, während die politischen Eliten – längst überparteilich, aber dennoch mitverantwortlich für die gesellschaftliche Misere – ihre Privilegien weiter zementieren. Das Prekariat hingegen zahlt, heuer noch brutaler durchs Spardiktat, mit erbarmungswürdigen Arbeitsverhältnissen, versperrten Bildungschancen und immer tiefer wachsender Marginalisierung. Die Mittelschicht schrumpft. Rumäniens neues Modewort heißt: Austerität – koste es, was es wolle!

Rumänien ist krank, weil tief gespalten

Die einen feiern Nicușor Dan noch als „Messias des Westkurses“ – von Spöttern bereits als „EU-Kuss“ parodiert – die anderen sehen in ihm auch einen weiteren Verwalter der allgegenwärtigen wirtschaftlichen Schwäche, Seite an Seite mit „seinem Ministerpräsidenten“ Ilie Bolojan. So stolpert Rumänien in eine Dynamik, die eher einer Jahrmarktsattraktion gleicht: Klimax und Antiklimax wechseln sich rasch ab und zischen über den Himmel wie ein grelles Feuerwerk des Schicksals aber schon auch am helllichten Tag.

Für die einen Mutter, für die anderen Geißel

Statt als “pater patriae” seine Nation zu inspirieren und zusammenzuführen, trägt er bereits heuer, im schon kühlen Sommer, sein Amt wie einen Wintermantel, was praktisch ist, wenn’s zieht, da er parteipolitisch einem “Waisenkind”, ohne eigener ideologischen Familie, ähnelt. Statt jederzeit einsatzbereiter Garant und erfahrener, überparteilicher Moderator des staatstragenden Gefüges zu sein, wirkt er bislang eher wie dessen offene Achillesferse, durch die alles ins Wanken geraten könnte.

Über Rumänien liegt der Schleier von Sein und Schein

Er ist mittendrin mit einer Bigotterie die paradoxerweise fast als Tugend gilt; wohl deshalb, weil sie am Ende ohnehin kaum etwas am immer neu versprochenen Morgenland verändert. Rund herum klebt seit Jahrzehnten das politische Rudel am gleichen Schlachthof: fett vom gemeinsamen Kessel, stets jaulend, um doch noch einen Knochen als Belohnung zu ergattern. Und so steckt das Land in einer ewigen Warteschleife des Sankt-Nimmerleinstages, in der die Zeit nur ranziger werden kann.