New York, mit knapp fünf Millionen Wahlberechtigten, ist kein Miniatur-Amerika, sondern eine eigene politische Klimazone und Mamdani weniger Zeitenwende als Fallstudie urbaner Selbstvergewisserung im Spiegel des Wohlstandsn; heuer mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1969.

Zohran Mamdani hat seine internationale Karriere längst angetreten – als Diskursfigur in progressiven Thinkpieces, auf europäischen Panels und in jenen Räumen, in denen sich eine saturierte Linksliberalität unablässig neue Idole castet. Seine Geschichte läuft dabei wie ein fertig produzierter Trailer: der erste muslimische Bürgermeister von New York City – selbstverständlich Chiffre für Diversität, Gerechtigkeit, Gleichheit, etc. – bildet ein “Angebot”, das sich ohne große Reibung in jede Brand-Story einfügt.

Mamdani erscheint weniger als widersprüchliche politische Figur denn als vorgefertigte Doppelfigur: nach innen realer Akteur mit institutioneller Macht, nach außen eine Rolle im Dauer-Content einer globalen, sich selbst feiernden „Progressive“-Szene. Nicht er wird gelesen, sondern ein Milieu liest sich an ihm und klopft sich dabei selbst auf die Schulter.

Die Dialektik von Person und Rolle

Mamdani gewinnt weniger durch politisches Handeln als durch seine Lesbarkeit. Er steht wie ein Denkmal auf jenem Sockel, der heute gern „Fortschritt“ genannt wird, und verkörpert, was das urbane Selbstbild als Ideal begreift. Wenn er Israels Militäraktionen im Gazastreifen als Völkermord bezeichnet und die US-Regierung auffordert, keine Steuergelder in „humanitäre Katastrophen“ zu investieren, wird er zur Projektionsfläche – von moralischer Dringlichkeit bis zu politischer Erlösung. Doch Symbole, so wirkmächtig sie scheinen, befreien nicht von der mühseligen Aufgabe, politische Mehrheiten zu gewinnen, um Versprechen einzulösen.

Das Volk trägt noch MAGA

Hier zeigt sich das eigentliche Dilemma vieler US-amerikanischer Linker: Während sich ihre Bewegung zunehmend in immer feinere Identitätskategorien aufspaltet, besetzt die Rechte den breiteren, aber wirksameren gemeinsamen Nenner: das Volk. MAGA als Leuchtturm – auch wenn sein Glanz verblasst ist – reicht aus, um jenen eine Stimme zu geben, die sich in der Sprache der urbanen Zentren kaum wiederfinden. Denn vielerorts entsteht der Eindruck, dass das, was in New York als „Eselspolitik“ gilt – vielleicht klug gedacht, moralisch aufgeladen, aber oft schwer verständlich ist und kaum alltagsnah – andernorts nicht mehr ankommt.

Mamdani richtet sein Programm auf soziale Gerechtigkeit: eingefrorene Mieten, erschwinglichen Nahverkehr, höheren Mindestlohn, finanziert über höhere Steuern für Unternehmen und Spitzenverdiener. Es klingt nach einem Gerechtigkeitsversprechen, das besonders jüngere Generationen anspricht, wirkt jedoch eher wie eine wohlmeinende Selbstverständlichkeit als wie ein Aufbruch.

Karl Marx trifft Mamdani

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, schrieb Karl Marx, könne der enge bürgerliche Rechtshorizont überschritten werden, um das Ideal zu verwirklichen: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Heute, in New York, klingt diese Formel wieder an – nicht unbedingt als Ruf zur Revolution, sondern als ästhetisches Echo einer vergangenen Hoffnung. Ein säkularer Heiligenvers, nunmehr urban verfeinert, zirkuliert als Signatur der neuen Linken: kein Gespenst mehr, das durch Europa wandelt, sondern ein global vermarktetes Symbol, genannt M-A-M-D-A-N-I, mit City-Label. Marx Manifest erlebt ein Update, rebranded im Schatten jener Ungleichheiten, der Oligarhie, des Reichtums, welche schon den alten Platon beunruhigten.

„Made by New York“

Der Widerspruch bleibt: Mamdani, dessen Versprechen eher im Alltag wurzeln, wird zum Kinoleinwand einer Linken, die sich zunehmend über moralische und identitätspolitische Reflexe definiert. Ob gewollt oder nicht, fügt Zohran M. sich in dieses Bild: als Produkt einer urbanen Selbstinszenierung der Wohlhabenden, die sich mit Labels wie „Made by New York“ global vermarkten lässt.

So wird M-A-M-D-A-N-I alleine zum Symbol einer linken erfolgreich exportierbaren Haltung, deren Glanz aus Selbstbestätigung entsteht. Offen bleibt, ob dieses Selbstverständnis Bestand hat, wenn diese Politik sich nicht länger nur an ihrem eigenen Spiegelbild vor dem Publikum erschöpft, das sie zwischen Hudson und East River hervorbringt.