Alex Todericiu: Der rumänische Staat im Spiegel
Rumänien brachte seinen deutschstämmigen Politikern lange besonderes Vertrauen entgegen. Man verband mit ihnen zurecht Fleiß, Ordnungssinn und Verlässlichkeit. Heute zeigt sich jedoch, dass auch sie den Mechanismen des rumänischen Staates nicht entkommen, der Schwerfälligkeit der Akten und der unerbittlichen Strenge der Vollstrecker.
Klaus Werner Iohannis, der zwischen 2014 und 2025 das höchste Staatsamt Rumäniens bekleidete und 2020 in Aachen mit dem angesehenen Karlspreis geehrt wurde, sieht sich nun mit einer Frage der Steuerbehörde seines Heimatlandes konfrontiert, dessen Bürger er seit Geburt ist. Der aus Hermannstadt (Sibiu) stammende Staatsmann, der seine Heimatstadt über vierzehn Jahre hinweg als Bürgermeister geprägt hat, wird damit an ein sensibles Kapitel seiner Vergangenheit erinnert.
Iohannis soll zahlen
“Na endlich”, haben viele gesagt. Die Herausgabe des Hauses in der Nicolae-Bălcescu-Straße 29, das Iohannis 2015 gerichtlich verlor. Das Gebäude war an die Raiffeisen Bank vermietet. Nun verlangt die Finanzverwaltung ANAF die freiwillige Rückgabe der Immobilie und die Erstattung der als unrechtmäßig geltenden Einnahmen. Ihm droht die Zwangsvollstreckung, ‚”wie bei jedem anderen Rumänen”, so ANAF-Präsident Adrian Nicușor Nica.
Fritz kann warten
Ganz anders die Situation von Dominic Samuel Fritz. 1983 im deutschen Lörrach geboren, ist er seit 2020 Bürgermeister von Timișoara und wurde in diesem Jahr zum Vorsitzenden der regierenden USR (Uniunea Salvați România – Verband Rettet Rumänien) gewählt. Seine Partei ist derzeit die viertstärkste Kraft im Bukarester Parlament und stellt mehrere Schlüsselminister: Außen-, Verteidigungs-, Wirtschafts- und Umweltressort. Fritz leitete einst das Büro von Bundespräsident Horst Köhler, doch in Bukarest darf er nicht einmal Minister werden – dafür fehlt ihm der richtige Pass; das Gesetz reserviert die Posten im Kabinett exklusiv für Rumänen.
Und so wartet Fritz – der einzige Bürgermeister in Rumänien ohne rumänischen Pass – seit über einem Jahr auf die Verleihung der rumänischen Staatsbürgerschaft. Sein Antrag, wie er selbst sagt, liegt „auf einem Stapel“. Zigtausende ebenfalls und die Behörde (Autoritatea Națională pentru Cetățenie) zeigt – durch das endlose Hinauszögern – strukturelle Probleme. Fritz betonte im Vorjahr, er wolle keine Sonderbehandlung. Doch genau darin liegt die Absurdität: Wer als deutscher Staatsbürger im Namen einer rumänischen Partei und nicht als Unabhängiger schon längst in Timișoara kandidieren durfte und seine Großstadt bereits in zweiter Amtszeit führt, muss dennoch auf jenes Dokument warten, das ihn offiziell zu einem Bürger des Landes macht, dem er längst dient. Ein Bürgermeister, der als Parteichef in Bukarest mit scharfer Zunge austeilt und als Deutscher genau weiß: Beliebt wird er dafür sicher nicht, aber ernst genommen allemal.
Ein Land, zwei Geschichten
Der Bürgermeister, der auf ein Recht wartet. Der ehemalige Bürgermeister und Alt-Staatspräsident, der sich – nachdem er nicht mehr im Amt ist – einer Pflicht stellen muss, die er heuer nicht länger vermeiden kann und will. Fritz erlebt die Trägheit des Systems, Iohannis dessen Härte. Das Ergebnis ist ein Spiegelbild dessen, was die meisten Rumänen ohnehin kennen: Entweder mahlen die Mühlen des Gesetzes quälend langsam oder sie schlagen plötzlich zu, mit voller Wucht.
Vielleicht liegt darin die Wahrheit über den rumänischen Rechtsstaat von heute: Er erkennt so gut wie keine Gesichter mehr, nur noch Aktenberge. Darin steckt seine Schwäche, darin immerhin auch eine Chance auf Gleichbehandlung. Und so zeigt sich der Geist der Europäischen Union, auch im verstaubten Archiv: Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Fairness. Am Ende aber bleibt die bequeme Illusion, Ordnung sei auch schon Gerechtigkeit. Traurig nur, dass die Bürger dabei oft hinter den Akten verschwinden.
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