Trump setzt vor allem auf Worte („Talk“), nicht auf Taten („Deliver“). Mitunter entsteht sogar der Eindruck, dass dieses Reden auch an anderer Stelle nur noch wiederholt oder übernommen wird, ohne neue Impulse zu setzen. Unter bestimmten Umständen könnte der Plan durchaus Wirkung zeigen und zumindest zeitweilig eine Waffenruhe ermöglichen; dennoch liegt der Verdacht nahe, dass die daraus resultierenden Folgen eher bitter als süß sein werden.

Dieser Plan zeigt vor allem eines: Europa ist mehr denn je auf Zwischentöne angewiesen. Denn vieles, was die Zukunft unseres Kontinents prägen könnte, entsteht längst außerhalb seiner eigenen politischen Räume. Nicht in Brüssel, nicht in Berlin, nicht in Paris und schon gar nicht in Wien. Ein Teil davon spielt sich hinter verschlossenen Türen ab, ein anderer wird vielleicht überhaupt nie öffentlich sein.

Der Vorschlag, Kiew solle Gebiete abtreten, um irgendwann vielleicht internationale Sicherheitsgarantien aus verschiedenen Himmelsrichtungen zu erhalten und dafür militärisch auf Diät gesetzt zu werden, wirkt natürlich völlig harmlos. Schließlich lassen sich territoriale Integrität und staatliche Souveränität nach dieser Logik ja problemlos rabattieren, oder? Warum sollte ein Land überhaupt selbst entscheiden dürfen, ob es überfallen werden möchte oder ob es seinen Zugang zum Meer behält?

Das Alaska-Syndrom

Dass Trump Putin beim Treffen in Alaska diplomatisch aufgewertet hätte, wird gern überbewertet. In Wahrheit wirkte es eher wie ein beiläufiges Schulterklopfen zweier Männer, die einander als Requisite begegnen. Und dass Russland seine Angriffe unmittelbar danach intensivierte? Einer jener Zufälle, die sich so nahtlos in Putins längst international dokumentiertes Muster aus politischer Härte und geradezu krimineller Missachtung völkerrechtlicher Regeln einfügen, dass man sich fragt, wie viel Zufall ein so grausamer Krieg eigentlich noch verträgt.

Ein vom US-Senat vorgeschlagene Gesetzentwurf sieht vor, dass Länder, die es wagen, Handel mit Moskau zu treiben, mit einer Steuer von 500% belegt werden könnten, darunter auch in Moskau heute beliebte Handelspartner wie Indien und China. Der seit seiner Zeit in Alaska zunehmend ungeduldige US-Präsident versicherte, dass jede Nation, die es wagt, Geschäfte mit Russland zu machen, mit „ganz besonderer“ Strenge sanktioniert wird.

Man könnte meinen, Trump habe in zehn Monaten weniger erreicht als Europa in jahrelanger Arbeit. Doch dieser Eindruck täuscht: Wie ein Schatten, der durch Bewegung lebendig wirkt, ohne sich tatsächlich vorwärtszubewegen, versteht er es, seinen eigenen Stillstand als politischen Wandel zu verkaufen und seinen Frieden für Europa nach dieser Logik als Fortschritt zu inszenieren.

Wenn Trump sein „Nichtstun“ zur Friedenswaffe erklärt dann wird auch die EU auch noch zur Bühne, auf der Trump sein Schauspiel aufführt.

Die Kunst des Friedensverkaufs

Der viel diskutierte Masterplan Trumps sieht vor, über verschiedene Unterhändler zu verhandeln und den Rest der Welt weitgehend auszublenden. Dieser Ansatz erscheint eher wie politisches Wunschdenken denn eine ernsthafte Strategie. Zwar heißt es, Trumps innerer Kompass sei durchaus ausgeprägt, doch scheint er längst zu glauben, dass außer Putin und Chinas Präsident kaum jemand wirklich eine bedeutende Rolle spielt. Dass dabei auch die EU und Präsident Volodymyr Zelensky mitgedacht, aber nicht einbezogen werden, liegt auf der Hand.

Zelensky spürt nicht nur die Contenance Trumps, sondern auch immer mehr den Erfindungsreichtum seiner Landsleute: Mal nennen sie ihn „Sanytsch“ – eine liebevolle Anspielung auf „Sohn des Oleksandr“ –, und in anderen Momenten „Hetman“, ein ehrwürdiger Titel historischer Kosakenführer. Hinzu kommen noch allerlei andere Spitznamen, die mit umso mehr Würze den vielfältigen Umgang der Ukrainer mit ihrer Führung illustrieren.

Donald Trump setzt die Ukraine mit seinem Plan zwar unter Druck, doch seine Strategie ist noch hinterlistiger: das konsequente Tun um des Nichtstuns willen, als Friedenswaffe. Je weniger passiert, desto besser; warum also handeln, wenn sich selbst die Untätigkeit als moralische Tugend verkaufen lässt?

Ein Meisterstück politischer Selbsttäuschung

Die bittere Realität sieht anders aus: Europas Steuerzahler finanzieren Waffenlieferungen, humanitäre Hilfen und milliardenschwere Rettungspakete, damit die Ukraine überhaupt noch Widerstand leisten kann. Europa trägt die Hauptlast und riskiert bereits die politischen wie wirtschaftlichen Folgen.

Diese „Yes-we-can“-Farce spielt sich in Europa ab. Die EU übernimmt bereitwillig Aufgaben, auf die selbst Washington längst verzichtet, und verkauft das anschließend als teurer Ausdruck geopolitischer Stärke. In Wahrheit betreibt sie damit Selbsttäuschung, übernimmt amerikanische Verantwortungsreste, ohne über die nötigen strategischen Instrumente zu verfügen und unser magerer Geldbeutel füllt so die Lücken, die Europas fehlende Macht nicht schließen kann.

Die eigentlich spannende Frage ist daher nicht, was genau in den 28 Punkten steht oder stehen wird, sondern weshalb die Europäische Union den Friedensplan offenbar gar nicht zu Gesicht bekam. Falls das stimmt. Vielleicht liegt die Antwort im eigenwilligen Verhältnis Trumps zu Tun und “Nichtstun” – einem politischen Verständnis, das die Grenze zwischen Handeln und Unterlassen auf bemerkenswerte Weise verwischt: “Die traurige Wahrheit ist, dass das meiste Böse von Menschen getan wird, die sich nie dazu entscheiden, gut oder böse zu sein”, so Hannah Arendt.