Dass rumänische Medien diese Fragen stellen, überrascht kaum. Denn ihr Blick richtet sich zunehmend auf Österreichs Einfluss in Bukarest und auf die Verantwortung der OMV Petrom, die gemeinsam mit Romgaz das Offshore-Gasprojekt im Schwarzen Meer, genannt “Neptun Deep” vorantreibt. Daraus sollen künftig erhebliche Mengen Erdgas gewonnen werden. Ein Vorhaben dieser Größenordnung verdient selbstverständlich kritische Aufmerksamkeit. Denn Rumäniens energiepolitische Zukunft hängt damit letztlich weniger vom Gas selbst ab als von jenen, die über seine Nutzung entscheiden und so von einer Hauptstadt, die für viele unten längst nicht mehr Bukarest heißt.

Manchmal beginnen Annäherungen nicht in Sitzungssälen, sondern bei gesetzten Abendessen, im gedämpften Licht historischer Palais in Wien. Und manchmal schreiben Wirtschaftsmagazine die Geschichte danach mit einem Augenzwinkern neu. So auch DeBizz, das zweisprachige Bukarester Wirtschaftsheft von Prof. Teofil Teaha, das den Auftakt damals unter dem vielsagenden Titel präsentierte: „Exklusivität hat keine Mehrzahl – unsere Wiener Schnappschüsse“.

Ein Abend, der alles veränderte

Der Rahmen war würdig gewählt. Februar 2019, Wiener Rennverein, residierend in den prunkvollen Sälen des Palais Pallavicini. Eingeladen war eine exklusive Runde, um den Vortrag von S.E. Bogdan Mazuru, dem damaligen rumänischen Botschafter in Wien und späteren Präsidialrat in Bukarest, über den rumänischen EU-Ratsvorsitz zu hören; ein diplomatischer Höhepunkt, begleitet vom gedämpften Klang eines Gala-Dinners.

Doch die eigentliche Dynamik dieses Abends spielte sich zwischen den Tischen ab.
Hier begegneten sich zwei Geschäftsführer zum ersten Mal: eine Bekanntschaft, die später mehr Bedeutung gewann, als sie in jenem Moment ahnen ließ.

Hans-Peter Siebenhaar, damals Präsident der Auslandspresse in Wien, moderierte ein Gespräch mit Adrian Volintiru, dem CEO der Romgaz, über die rumänische Energiewirtschaft.

Unter den Gästen saß auch Dr. Rainer Seele, Generaldirektor der OMV und Aufsichtsratsvorsitzender der OMV Petrom. Für ihn bot dieser Abend mehr als nur ein offizielles Treffen: Er begegnete Volintiru erstmals persönlich. Als Geste der Gastgeber erhielten alle Anwesenden ein Gastgeschenk von Romgaz: eine Panflöte, als Symbol kultureller Identität. Auch Dr. Seele nahm sie entgegen. So begann die Annäherung: nicht spektakulär, nicht laut, sondern in den feinen Tönen eines Stadtpalais, in dem Wirtschaftsdiplomatie und nationale Interessen schon oft ihren gemeinsamen Klang gefunden haben.

Erstaunen

Mehr als fünf Jahre später kann man erstaunt beobachten, wie unterschiedlich große Akteure agieren. Romgaz, das größte staatlich kontrollierte Erdgasförderunternehmen Rumäniens, erwägt Investitionen in die Düngemittelproduktion in eigenem Land, was ein Schritt in Richtung Wertschöpfung ist, ein Versuch, das eigene Gas nicht nur zu exportieren, sondern industriell zu nutzen.

OMV Petrom hingegen, wirtschaftlich weit größer und mit tieferem industriellem Fundament, verkündet ausgerechnet jetzt weitreichende Restrukturierungen. Ausgerechnet jetzt und so in dem Moment, in dem „Neptun Deep“, das bedeutendste Energieprojekt des Landes seit 1989, vor der Umsetzung steht. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Weitsicht sei unpraktisch geworden obwohl sie, so hört man in Bukarest, selten dringlicher wäre.

Ab 2027 sollen Milliarden Kubikmeter Gas ans Tageslicht kommen – eine Ressource, die in Rumänien selbst enormes Potenzial für Petrochemie, Industrie und neue Energieinfrastrukturen bietet. Und anstatt diesen Moment zu nutzen, tritt OMV Petrom, Partner von Romgaz im „Neptun Deep“-Projekt, auf die Bremse.

Und da meldet sich die Erinnerung an das Jahr 2019: “Exklusivität kennt keine Mehrzahl”. Ein feines Bonmot, einst für den charmanten Herrn Seele formuliert und vielleicht zugleich ein leiser Hinweis darauf, dass sich manche Gelegenheiten nicht verdoppeln lassen. Sie treten nur ein einziges Mal hervor. Gerade deshalb sollte man sie heute nicht vorbeiziehen lassen.

Vertrauen verbindet besser

Damit stellt sich die Frage, die der Journalist Sorin Pâslaru jüngst in der Bukarester Wirtschaftszeitung ZF pointiert und standortbezogen formulierte: Warum verfolgt OMV Petrom Pläne zur Restrukturierung und nicht zur Erweiterung in der Petrochemie?

Eine berechtigte Frage die weit über das Unternehmen hinausweist. Sie rührt an ein vertrautes Dilemma der osteuropäischen Industriepolitik: Investiert wird nur dort, wo Vertrauen wächst und Vertrauen entsteht bekanntlich nicht aus politischem Willen allein.
Mehr regulatorische Klarheit? Verlässliche Abnahmegarantien? Gewiss, beides mag hilfreich sein. Reicht aber nicht.

Liaison auf Augenhöhe

Für jeden Ministerpräsidenten in Bukarest gehört die OMV Petrom zu den zentralen Themen staatlicher Industriepolitik. Das Unternehmen steht nicht nur für Energiewirtschaft, sondern auch für das Vertrauen zwischen Österreich und Rumänien. Wenn Premier Ilie Bolojan am 4. Dezember seinen Amts- und Parteikollegen der Europäischen Volkspartei am Ballhausplatz trifft, geht es deshalb um mehr als diplomatische Routinegespräche: Im Mittelpunkt seiner to do-Liste könnte auch die Frage stehen, wie verlässlich europäische Industriestandorte künftig miteinander agieren können.

OMV Petrom bleibt dabei ein Prüfstein für das Zusammenspiel von Politik, Markt und öffentlichem Vertrauen. Die enge Kooperation des Konzerns mit Romgaz zeigt, dass gemeinsame Projekte nur dann bestehen, wenn sie auf Augenhöhe entwickelt werden. Denn Exklusivität kann eine Mehrzahl haben, solange sie nicht nur von einer Seite diktiert wird.

Ohne das nötige Vertrauen bleibt selbst eine Liaison, die mit einer Panflöte begann – pittoresk wie sie war – am Schluss nur eine weitere der vielen Nettigkeiten, einer sog. Wiener Beziehung eben. Und das, gerade weil die mächtige OMV Petrom für Rumänien steuerlich alles andere als eine Randfigur ist.