Der im Volksmund ‚Ilie-sărăcie‘ (‚Ilie – die Armut‘) verspottete, etwas mollige Ministerpräsident Ilie Bolojan trägt bereits im Spitznamen das Omen seiner Politik: ein Reim, der andeutet, was durch ihn und nach ihm als Premier bleiben wird: magere Armut. Der Regierungschef mit den markant zusammengewachsenen Augenbrauen, inszeniert sich gerne als Architekt einer Reform, die für viele keine ist – da weder mit Winkelmaß noch mit Zirkel entworfen –, und zugleich als Fitnessguru mit einer (parlamentarisch nur noch halbwegs) funktionierenden parteipolitischen Stoppuhr für seine bereits verarmte Nation. Seine überhastete Abmagerungskur, der gesamten Bevölkerung per Edikt verordnet, schrumpft weniger den Staat als vielmehr das Portemonnaie einfacher Bürger und damit auch die Hoffnung aller, nicht nur seiner Wähler.

Ilie Bolojan, geboren 1969, ist Parteichef der National-Liberalen Partei, PNL (Mitglied der EU-Volkspartei), die bei den Parlamentswahlen 2024 nur 13,7 Prozent der Stimmen erhielt, von Reformern geschätzt und von immer mehr anderen verachtet, steht vor der Wahl: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“ (Schiller). Oder er bleibt und ist de facto zum Befehlsempfänger parlamentarischer Mehrheiten degradiert. Viele glauben: Ein ehrgeiziger Siebenbürger wie Bolojan würde in diesem Fall eher den Hut nehmen.

Damit könnte sich das Machtzentrum stark zum Staatspräsidenten verschieben. Nicușor Dan hätte die Möglichkeit, durch präsidiale Rückverweisung der vier Gesetze des Austeritätspakets das Parlament aus seiner derzeitigen Statistenrolle zu befreien – ein gesunder, demokratischer Rollenwechsel, der so im rumänischen Polit-Theater selten vorkommt. Das Verfassungsgericht wird über die Pensionsnovelle der Richterschaft entscheiden – wohl wegen mangelnder Verfassungskonformität. Kein Zufall, dass die sich im Aufwind befindende AUR-Partei – bei Meinungsumfragen steht sie stabil über 30% – keinen Misstrauensantrag stellte: Sie setzt darauf, dass in dieser juristisch heiklen Angelegenheit die Verfassungshüter ihr die Arbeit abnehmen.

Salami-Taktik

Bis dahin blockieren oder verzögern taktische Anträge der AUR-Abgeordneten um George Simion die übrigen ‚Reform‘-Projekte der berüchtigten vier Salami-Scheiben am mageren Tisch der rumänischen Austerität. In Rumänien wird Politik gern wie Salami scheibchenweise serviert: dünn geschnitten, doch am Ende fehlt dann allen die ganze Wurst.

Der Präsident könnte, indem er diesen Gesetzen mehrfach die Zustimmung verweigert, die Aufwertung des Parlaments als ‚königliches Gambit‘ inszenieren: nicht nur, um neue Wählerschichten für sich zurück zu gewinnen, sondern auch, um sich einer souveränistischen Bewegung anzunähern, die in Bukarest – dank solcher Taktik – auch bei der “haute volée” salonfähig wird. Präsident Dan selbst könnte sich damit vielleicht auch 2026 einen parlamentarischen Suspendierungsversuch durch die AUR ersparen.

Bukarest hat gleich zwei Mohren

Und sollte dieses Gambit scheitern, zeigt sich die eigentliche Ironie der Schillerschen Weisheit nach rumänischer Manier: Während der Premier als Mohr wohl bald abtreten könnte (er hat selbst damit vor seiner 4 Parteien – Koalition unlängst gedroht), thront im Schloss Cotroceni, dem Bukarester Sitz von Nicușor Dan, ein zweiter Mohr – und der denkt nicht daran zu gehen. Warum sollte er auch? Ohne eigene Kompetenz in der Abmagerungskur seiner Republik, ohne eigene politische Verantwortung für die metabolische Bemühung der regierenden Macht… Zwei Mohren, zwei Rollen: der eine geht, weil er irgendwann will oder muss, der andere bleibt, weil er kann.

Ob beide ihre Schuldigkeit gegenüber dem Volk rechtzeitig und gut erfüllt haben, bleibt die offene Frage. Vielleicht liegt gerade darin die bitterste Pointe: weil dieses Urteil erst ganz am Ende fällt, wenn die meisten Figuren schon vom Brett verschwunden sind.