Mit Iliescus Tod endet eine Ära. Doch das Land befindet sich im Auge eines politischen Sturms. Die heutigen Nachfolger – ideologielose Epigonen – eilen dem volksnahen Vorbild nach, ohne dessen politische Gravitas oder historische Legitimation zu erreichen. Die von ihm geprägte linke Bewegung, aus der später die Sozialdemokratische Partei (PSD) Rumäniens hervorging, träumt heute nur noch von seinen Wahlerfolgen.

Ehemalige Präsidenten Rumäniens haben im Todesfall Anspruch auf ein offizielles Zeremoniell einschließlich militärischer Ehren haben. Doch Iliescus umstrittene politische Vergangenheit wirft weiterhin Schatten: In der Öffentlichkeit tobt eine Debatte über die Angemessenheit eines Staatsbegräbnisses. Und Rumänien schwitzt – aufgeladen von Emotionen – unter der kalten Sonne seiner eigenen Regierung in Bukarest. Einer Koalition von Links und Rechts, gestützt auf die Schultern der Sozialdemokraten, die Austerität zur Tugend verklärt. Selbst das kleine Einmaleins der Empathie scheint den heutigen Machthabern abhandengekommen zu sein.

Über dem Land schwankt ein Himmel zwischen Gluthitze und Sintflut, darunter lastet eine Vergangenheit – schwer, schicksalhaft –, die sich hartnäckig weigert, trotz Iliescus Verschwinden endlich begraben zu werden.

Enger Freund von Michail Gorbatschow

Ion Iliescu, das letzte Überbleibsel der Revolution von 1989, wurde 95. Er war ein Symbol für eine Ära des wiederholten Neubeginns, genannt „Reform“, die noch immer nicht vergangen ist. Er ist einer der wenigen Spitzenpolitiker seit 1989 gewesen, dem keine Korruption vorgeworfen wurde. Iliescus Rolle in den blutigen Ereignissen von 1989 ist bis heute – milde gesagt – umstritten.

Als enger Freund von Michail Gorbatschow führte Iliescu Rumänien ein Jahrzehnt lang und wurde heftig kritisiert für Entscheidungen wie den Einsatz der Bergarbeiter als Volksmiliz in Bukarest, die Anerkennung der Staatlichkeit der Republik Moldau oder seinen negativen Einfluss auf die halbherzige Rückgabe von privatem Eigentum in den 90er-Jahren sowie auf den mehr als stolpernden Beginn der Privatisierungen der Wirtschaft im staatlichen Besitz. Anerkannt wird ihm jedoch als klug die späte Versöhnung mit König Michael.

Iliescus politische Meisterleistung war es, der ungarischen Volksgruppe in Rumänien schon kurz nach 1989 das Recht zur Gründung einer eigenen ethnischen Bewegung voll und ganz zu gewähren, was Stabilität im einheitlichen Nationalstaat brachte und mögliche sezessionistische Tendenzen auf ein Minimum reduzierte. Ihm ist auch die späte, aber überzeugte Öffnung des Landes für das NATO-Bündnis samt Beitritt im Jahr 2004 zu verdanken – eine Entscheidung, die drei Jahre später die EU-Mitgliedschaft des Landes erheblich erleichtert hat. Der wahre Taufpate des gelungenen EU-Beitritts heißt jedoch nicht Iliescu, sondern Adrian Năstase, Ministerpräsident derselben Partei, die Iliescu gegründet hatte.

Saubermann für ein verdrecktes System

Währenddessen versinkt das Land an der Donaumündung buchstäblich im Wasser. In Broșteni, Kreis Suceava, der flächenmäßig größten Stadt Rumäniens – größer als Bukarest – mit kaum 5.000 Einwohnern, vernichtete unlängst eine Flut Häuser und Existenzen. Die staatliche Reaktion? Träge. Der Staatspräsident blieb unsichtbar. Empathielos. Wer jedoch sofort vor Ort war: George Simion. Der AUR-Parteichef, frisch gescheiterter Präsidentschaftskandidat im Mai 2025, nutzte die Gelegenheit und verwandelte eine humanitäre Krise in ein politisches Solidaritätsrennen – mit medizinischer Karawane und kernigen Sätzen wie: „Wo kein Kopf ist, leiden die Füße.“ Treffend, schon zugespitzt, aber effektiv. Aus seiner Sicht, goldrichtig.

Populismus pur mit Gummistiefeln und Schaufel zeigte aber Călin Georgescu, 2024 als Präsidentschaftskandidat disqualifiziert, heute unter strenger strafrechtlicher Beobachtung. Im Schlamm von Broșteni reinigt er nicht nur Schutt, sondern auch sein Image. Seine Anhänger übersetzen seit dem Vorjahr das Kürzel seines Namens C.G. als „Curățenie Generală“ – „Generalreinigung“. Die Symbolik: ein Saubermann für ein verdrecktes System. Ob das stimmt? Sein Einsatz in Broșteni wurde von vielen als clever inszenierte politische Kommunikation gewertet – mit symbolischer Wirkung auf das Machtgefüge der Hauptstadt, wo das Bürgermeisteramt nach dem Wahlsieg von Nicușor Dan bei der Präsidentschaftswahl vakant geworden ist. Und könnte dieser PR-Gag vielleicht auch funktionieren? Auch wenn Georgescus juristischer Schatten wahrscheinlich länger ist als jede Kamerafahrt… Er wird heuer nicht als Bürgermeister von Bukarest kandidieren, sagt man.

Führer oder nur Verführer?

Ion Iliescu ist Geschichte. Mit ihm verschwindet die letzte Figur, die den Anspruch eines „pater patriae“ glaubhaft verkörperte. Der aktuelle parteilose Staatspräsident Nicușor Dan, jüngst noch Staatsgast bei den Salzburger Festspielen, wirkt technokratisch – aber nicht symbolträchtig, weder gewollt noch gewillt.

Die PSD – im Parlament zwar stärkste Kraft – verliert an Boden gegenüber der AUR, während Rumänien seinem längst überfälligen Finale der postkommunistischen Ära entgegengeht. Die Epigonen Iliescus, des Volkstribunen der 90er, treten heute aus allen politischen Himmelsrichtungen hervor. Doch ob sie Führer oder nur Verführer sind, bleibt offen. Und wie stets gilt: Für die Besiegten gibt es kein Mitleid.