Es geht um den von den Innenministern im EU-Rat erzielten Beschluss, außerhalb der EU Zentren für jene Migranten zu errichten, die illegal in die Union gekommen sind, und deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Eine Umsetzung dieses Beschlusses hätte mit absoluter Sicherheit eine enorm abschreckende Wirkung auf viele weitere Migrationswillige gehabt und daher einen starken Rückgang des Zuzugs aus Syrien, Afghanistan und Co ausgelöst.

Dieser Rats-Beschluss der EU entspricht den Vorstößen von Italien, das schon in Albanien zu diesem Zweck Lager errichtet hat, und von Großbritannien, das zum gleichen Zweck mit dem afrikanischen Ruanda handelseins geworden ist. Aber auch Österreich hat zusammen mit Dänemark erste – noch nicht so weit gediehene – Kontakte mit Uganda aufgenommen, einem ebenfalls relativ weit entwickelten Land Afrikas. Die britischen und italienischen Vorstöße waren bisher an nationalen Gerichten gescheitert, die sich dabei auf europäisches Recht berufen haben. Sollte jedoch der nunmehrige Beschluss der EU-Innenminister – gegen den nur der Innenminister der sozialistischen Minderheitsregierung Spaniens aufgetreten ist – rechtlich verbindlich werden, werden diese Gerichte wohl nicht mehr Sand in das Projekt streuen und damit die am meisten Erfolg versprechende Anti-Migrationsmaßnahme behindern können.

Solche Abschiebezentren außerhalb der EU sind vor allem deshalb so wichtig, weil die meisten jener Menschen, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben, sich bisher geweigert haben, freiwillig auszureisen. Gleichzeitig haben viele Herkunftsländer sich geweigert, ihre Bürger nach einer Abschiebung zurückzunehmen. Sie wollen dadurch die eigene Überbevölkerung ein wenig reduzieren und hoffen überdies auf Devisenübersendungen der nach Europa gelangten Landsleute. Überdies verwischen etliche illegale Migranten ihre nationale Herkunft.

Der EU-Beschluss, solche Lage in Drittstaaten zu genehmigen, ist daher für Österreich enorm wichtig – auch wenn er in zwei Punkten nicht die ursprünglichen Vorstellungen erfüllt:

– Erstens dürfen gemäß diesem Beschluss keine Jugendlichen in solche Lager abgeschoben werden – dabei ist bekannt, dass sich Männer, die weit über zwanzig sind, bei der illegalen Einwanderung nach Europa oft als noch jugendlich ausgeben, um hier bevorzugt behandelt zu werden.

– Zweitens dürfen dort Migranten auch dann nicht untergebracht werden, wenn ihr Asylverfahren noch läuft – was natürlich die Gefahr massiv erhöht, dass sie im Augenblick eines abschlägigen Bescheids untertauchen.

Aber dennoch ist der EU-Beschluss enorm wichtig – sollte er in Rechtskraft ergehen. Dem steht freilich noch das EU-Parlament im Weg. Dort wird eine Mehrheit wohl nur dann zustandekommen, wenn die konservativen Parteien der Mitte sich mit den rechten Fraktionen verbünden, was sie erst ein einziges Mal getan haben (bei der Milderung der Lieferkettengesetze). Bei diesen ist aber durchaus möglich, dass sie noch weitergehende Forderungen stellen, wodurch der gesamte Kompromiss im Rat und in der Kommission doch noch zunichte werden könnte. Das wäre eine Katastrophe.

Eine zweite Katastrophe droht durch Querschüsse des „Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“. Dieser gehört ja nicht zur EU, sondern zum Europarat. Daher braucht er sich nicht um EU-Recht zu kümmern. Da dieser Gerichtshof bisher auch immer besonders migrationsfreundlich gewesen ist, hat der österreichische Bundeskanzler Stocker zusammen mit acht anderen europäischen Regierungschefs im heurigen Jahr auch einen offiziellen Brief an die dortigen Richter geschickt, ihre Judikatur zu überdenken. Zwar hat ein solcher Brief rechtlich keine direkte Bedeutung, aber angeblich hat er doch etlichen Eindruck gemacht. Vor allem müssen diese Richter fürchten, dass einige Länder aus der „Europäischen Menschenrechtskonvention“ austreten, welche ja die rechtliche Grundlage dieses Gerichtshofs ist, wenn dessen Judikatur zu sehr dem demokratischen Konsens der Mitgliedsländer widersprechen sollte.

So sehr also noch Ungewissheiten auf diesem Weg drohen, so positiv ist doch der EU-Schritt in Richtung solcher externen Lager. Er ist – wenn auch mit gewaltiger Verspätung – die exakte Umsetzung dessen, was Sebastian Kurz (und in aller Bescheidenheit auch der Autor dieses Textes) seit ziemlich genau zehn Jahren als „australisches Modell“ fordern. Australien hat genau damit, dass es sämtliche illegalen Einwanderer auf zwei Inseln befördert hat, die auch dort sehr intensiv gewesene illegale Migration zum Stillstand gebracht. Australien hat freilich den Vorteil, nicht den europäischen Gerichtshöfen zu unterliegen, sondern kann autonom entscheiden.

Es ist also noch ein schwieriger Weg zurückzulegen. Umso skandalöser ist, dass jetzt die österreichische Justizministerin querschießt, obwohl diese Lager-Errichtung bisher immer als Anliegen der österreichischen Regierung gegolten hat. Sie behauptet nun, dass solche Abschiebelager nur in Staaten errichtet werden dürften, die auch dem Europarat angehören, sonst wäre nicht garantiert, dass dort die Menschenrechte eingehalten werden.

– Vom Europparat steht aber, erstens, nicht im EU-Beschluss.

– Dieser Einwand ist, zweitens, auch massiv rassistisch, da damit a priori sämtlichen afrikanischen Staaten ein ordentlicher Menschenrechtsstandard abgesprochen wird.

– Könnten sich Sporrer und mit ihr der Koalitionspartner SPÖ mit dieser Ablehnung aber durchsetzen, dann wäre damit, drittens, das gesamte Projekt tot.

Denn dann käme praktisch nur noch Albanien für solche Lager in Frage. Und Albanien würde sich mit Sicherheit und verständlicher Weise verwehren, wenn die EU-Länder Hunderttausende oder letztlich Millionen abgelehnte Asylwerber dorthin abschieben wollten. Es kann nur eine Aufteilung auf mehrere außereuropäische Länder funktionieren.

Lebt doch allein in Deutschland rund eine Million abgelehnter Asylwerber. Wurden doch allein in Österreich seit 2015 über 440.000 Asylanträge gestellt (davon ein Zehntel durch angeblich unbegleitete Minderjährige). Waren doch beispielsweise von den heuer bisher in Österreich gefällten Entscheidungen nur 19 Prozent positiv.

Eine von Brüssel erlaubte Errichtung solcher Lager außerhalb der EU wäre für Österreich umso wichtiger, als weitere Beschlüsse der gemeinsamen EU-Asylpolitik auf andere kaum überwindbare Widerstände stoßen:

– Die ebenfalls beschlossene „Umverteilung“ von illegalen Migranten in Länder mit wenig Migranten scheitert daran, dass kein Land welche aufnehmen will. Ungarn etwa hat dies sofort laut verkündet.

– Und die schon seit längerem beschlossene Errichtung von Lagern an den Außengrenzen, in die Migranten sofort nach Einreise in die EU kommen sollten, scheitert daran, dass die Länder an den Außengrenzen nicht das Geringste unternehmen, um diese Lager wirklich zu errichten. Sie fürchten wahrscheinlich nicht ganz ohne Grund, dann dauerhaft auf diesen Migranten sitzen zu bleiben. Sie wollen daher wohl weiterhin die Migranten heimlich in andere EU-Länder weiterreisen lassen.

Diese Errichtung von außereuropäischen Lagern für abgelehnte Asylwerber bleibt daher Österreichs einzige realistische Hoffnung auf eine Lösung dieses Problems. Das macht das überraschende Njet der Justizministerin innenpolitisch nun so spannend und explosiv. Lässt es sich Christian Stocker gefallen? Oder geht er – endlich – in den Gegenangriff gegen die fortwährende SPÖ-Sabotagepolitik und kann damit einen Teil der verlorenen ÖVP-Wähler zurückholen?

Er weiß zweifellos: Wenn er auch diese SPÖ-Sabotage zulässt, dann intensiviert sich dadurch das ÖVP-interne Warten auf eine Rückkehr des Sebastian Kurz dramatisch. Genau deshalb versuchen freilich die Sporrer unterstehenden Staatsanwälte, Kurz möglichst lange mit fadenscheinigen Ausreden politisch zu lähmen …

Andreas Unterberger schreibt neben dem „exxpress” auch auf „das-tagebuch.at