Der 71-jährige tschechische Multimillionär war bereits zwischen 2017 und 2021 mit seiner Partei ANO der Ministerpräsident des Landes, musste aber nach den verlorenen Parlamentswahlen 2021 einer progressiv-zentristischen Regierungsallianz unter Petr Fiala (ODS) weichen. Jetzt führte er seine ANO-Partei zu einem ungeahnt großen Erfolg und wird als Amtsvorgänger von Fiala zugleich auch sein Amtsnachfolger. Der von den europäischen Mainstreamparteien unterstützte Fiala landet in der Opposition. Die Wahlbeteiligung war mit 69% so hoch wie zuletzt in den 1990-er Jahren.

Ungeachtet der negativen Berichterstattung in großen Teilen der deutschsprachigen Medien sprachen sich 35% der Wähler für Andrej Babiš aus. Die absolute Zahl von 1.940.507 Stimmen ist ein Rekordergebnis in der Geschichte der Tschechischen Republik. Mit Ausnahme von Prag färbte sich das ganze Land einheitlich in die dunkelblaue Parteifarbe von ANO. Mit der Autofahrerpartei „Motoristé sobě“ hat Babiš einen Koalitionspartner, mit dem er bequem regieren kann. Dabei verfehlen die Partner die Regierungsmehrheit knapp, können sich aber auf die Unterstützung der rechtsgerichteten SPD verlassen. In Tschechien wird der Wahlsieger als Ministerpräsident vom Staatspräsidenten ernannt. Anders als in Deutschland muss er danach innerhalb von 30 Tagen im Abgeordnetenhaus um das Vertrauen werben. Ein positives Vertrauensvotum erfordert die Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. Fällt das Votum positiv aus, kann die Regierung ihre Arbeit offiziell aufnehmen. Wird das Vertrauen verweigert, geht die Entscheidung in die zweite Runde.

Orbán formt neuen Machtblock in Europa

Bisher unbeleuchtet geblieben ist der Umstand, dass dieser Wahlsieg auch ein großer Erfolg für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ist. Gemeinsam mit Andrej Babiš und Herbert Kickl (FPÖ) hob er im Sommer 2024 die neue Fraktion im Europaparlament „Patrioten für Europa“ aus der Taufe, die ein bewusstes Gegenmodell zur gegenwärtigen Brüsseler Führung um die linken, linksorientierten und zentristischen Mainstreamparteien sein will. Mit dabei ist auch die Autofahrerpartei, so dass diese neue europäische Parteiformation mit ihren beiden tschechischen Mitgliedsparteien nach Ungarn nun auch in Tschechien die Regierung stellt. Damit vergrößert sich der Kreis der Verbündeten des ungarischen Ministerpräsidenten weitgehend. Nach der Slowakei und Tschechien kann er sich in vielen europäischen Grundsatzfragen auch auf Italien oder gar auf die Niederlande stützen.

Zugleich ist abzusehen, dass die Visegrad-Gruppe wiederbelebt wird. Nachdem Petr Fiala wie der polnische Ministerpräsident Donald Tusk kein großes Interesse an der diesbezüglichen Zusammenarbeit hatte, formiert sich die Kooperation unter Orbán, Fico und Babiš neu. Sie können mit dem neuen polnischen Präsidenten Karol Nawrocki rechnen. Orbán, der als Dienstältester in der Europäischen Union in seiner mehr als 15-jährigen Amtszeit ganze sechs tschechische Ministerpräsidenten erlebte, wird diesen Machtblock in Verbindung mit der drittgrößten EP-Fraktion der Patrioten selbstbewusst auf der europäischen und internationalen Arena nutzen, um für ein Europa der Vaterländer, der Souveränität, der Selbstbehauptung einzutreten. Dieses Konzept setzt sich zudem ein für einen realitätsorientierten Ansatz in den internationalen Beziehungen, der die Konnektivität und die strategische Autonomie miteinschließt. Europa muss wieder stark werden, so die Devise von Orbán.