Bence Bauer: Merz und die politische Führung
Kurz vor Weihnachten ereigneten sich in Brüssel und Berlin innerhalb von 24 Stunden zwei wichtige Sitzungen, die viel über die politischen Führungsqualitäten von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aussagen: der Europäische Rat und die Mitgliederversammlung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Auf beiden machte der CDU-Vorsitzende keine gute Figur.
Die beiden miteinander kaum in Zusammenhang stehenden Zusammenkünfte offenbarten aber die riesengroße Herausforderung, vor der der CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland steht. Es kommt nämlich immer darauf an, welche Führung das größte Land Europas dem Kontinent angedeihen lässt und wie sich die Kanzlerpartei CDU in wichtigen politischen Entscheidungen positioniert. Lange Zeit galt als sicher, dass alle in Europa gebannt und voller Anerkennung nach Deutschland und auf die CDU schauen. Heute aber hat die einstige Erfolgspartei merklich an Strahlkraft verloren. Nicht ohne Grund ist sie bei 24%.
Das russische Vermögen
Auf dem Europäischen Rat wollte Merz gleich alles in die Waagschale werfen und sich entscheidungssicher und führungsstark zeigen. Doch dieses Ansinnen ging mangels strategischer Führungsfähigkeit und einer mangelnden Einsicht in die Realitäten vollends unter. Die zwei von Merz so sehr favorisierten Beschlüsse, das Mercosur-Abkommen und die Konfiszierung russischer Vermögen bei Euroclear in Belgien, konnten nicht getroffen werden. Während bei der Mercosur-Ratifizierung ein Aufschub vereinbart wurde, ist der Deal mit den 185 Milliarden-Einlagen der russischen Notenbank vollends gescheitert. In Brüssel entpuppten sich der belgische Premier Bart de Wever und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán als wirkmächtige Gegner der Konfiszierung der russischen Einlagen. Nach deren Lesart hätte eine Konfiskation dieser Gelder und deren Zurverfügungstellung für die Ukraine den Finanzstandort Europas in Misskredit gebracht, Europa zur Kriegspartei gemacht und sich dem immensen Schadensersatzforderungen Russlands ausgesetzt. Die beiden bewiesen strategische Weitsicht und realpolitisches Verständnis und konnten dagegen eine politische Allianz organisieren.
Merz-Empfehlung scheiterte
Kaum zuhause in Deutschland angekommen, musste Friedrich Merz auf die Mitgliederversammlung der Konrad-Adenauer-Stiftung, eigentlich ein Heimspiel, wo er vergeblich versuchte, den von ihm vorgeschlagenen Günter Krings als neuen Vorsitzenden durchzukriegen. Dieser scheiterte in der Abstimmung mit 28 zu 21 Stimmen gegen die ehemalige Saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer – die einzige Kampfabstimmung in der Geschichte der Stiftung. Diese Abstimmungsniederlage ohne Not signalisiert das strategische Führungsproblem von Friedrich Merz. Bereits im Dezember 2018 unterlag er im Rennen um den CDU-Bundesvorsitz der resoluten Politikerin aus dem Saarland. Dieses Mal verfehlte Merz es einfach, dem von ihm Vorgeschlagenen tatkräftig zu unterstützen. Ein Vorschlag allein reicht nicht – er muss ihn mit politischer Kraft, Durchsetzungsvermögen und strategischer Weitsicht gefüllt werden. All dies hat Friedrich Merz offenbar gefehlt.
AFD hängt CDU/CSU ab
Die 24%, die die CDU/CSU in den jüngsten Umfragen gemeinsam haben, liegt hinter den 26% der AfD, den diese allein erzielt. Die drei jüngsten politischen Niederlagen von Friedrich Merz sind hierbei noch gar nicht einkalkuliert. Der deutsche Bundeskanzler hat auch in der Vergangenheit bewiesen, dass er die Stimmung in den eigenen Reihen nicht immer gut einschätzen kann; seine verkorkste Wahl zum Bundeskanzler, die gescheiterte Verfassungsrichterwahl und der knappe Beschluss der Rentenreform zeugen davon. Die rebellische Abstimmung in der Konrad-Adenauer-Stiftung ist nur noch das Sahnehäubchen.
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